Chinas Null-Covid-Politik nimmt paranoide Ausmaße an. Und wird Sri Lanka zu einem „Failed State“?

SCMP. 3. April 2022. Screenshot.SCMP. 3. April 2022. Screenshot.

Die Asien-Presseschau vom 04. April 2022 – Zehn Botschafter standen auf der Einladungsliste, insgesamt 66 Gäste hatten ihr Kommen zu einer Filmvorführung der Schweizer Botschaft in Peking am vergangenen Donnerstag angekündigt. Dann verboten die chinesischen Behörden kurzerhand die Veranstaltung, die seit letztem November geplant war. Eine konkrete Begründung gab es dafür nicht. Nur, es sei wegen Corona-Vorsichtsmaßnahmen geschehen.

Die Entscheidung dürfte wie so oft in „Xi-Na“, dem Reich von Xi Jinping aus politischen Erwägungen gefallen sein. Denn wie die Behörden nach Protesten der eidgenössischen Botschaft mitteilten, sei das Aus auf den Inhalt des Films zurückzuführen. Die Dokumentation „Olga“, die gezeigt werden sollte, erzählt nämlich das Leben einer 15-jährigen Turnerin aus der Ukraine.

Es ist die Geschichte eines Teenagers im Leistungssport, der hin- und hergerissen ist zwischen dem Alltag in der Schweiz, wo das Mädchen für die Europameisterschaften trainiert, und der Ukraine, wo ihre Mutter als Journalistin über die Euromaidan-Proteste 2013 und 2014 berichtet.

Letzte Woche wurde „Olga“ bei den diesjährigen Schweizer Filmpreisen mit den Auszeichnungen für den besten Spielfilm, das beste Drehbuch und den besten Ton gekürt. Der Film von Regisseur Elie Grappe war auch der Schweizer Beitrag für den besten internationalen Spielfilm bei der diesjährigen Oscar-Verleihung.

Asia Sentinel. 14. März 2020.

Aber selbst eine derartige private Filmvorführung scheint den Behörden in Peking zu subversiv. Wie paranoid ist das? Regiert so ein souveräner Staat, der sich zur Supermacht aufschwingen will oder ein getriebenes Regime, das überall Bedrohungen wittert, in Angst, seine Macht und Kontrolle zu verlieren?

Pathologische Züge nehmen allmählich auch Art und Umfang der Maßnahmen an, die Chinas Behörden bei ihrer Bekämpfung der Corona-Pandemie im Wirtschafts- und Finanzzentrum Shanghai umsetzen. Mittlerweile ist die gesamte 25-Millionen-Einwohner-Metropole abgeriegelt. Jeder Bürger muss sich einem Test unterziehen. Dabei wurden am Sonntag gerade mal 438 Erkrankte registriert, dazu 7.788 asymptomatische Fälle.

Doch wer infiziert ist, muss sich sofort mit anderen Leidensgenossen in riesige Notunterkünfte einsperren lassen, die in Messehallen eilends eingerichtet wurden. Parallel dazu läuft die absurde Corona-Staatspropaganda zur Hochform auf. Hier ein YouTube-Video aus Schanghai, das eine taiwanische Zeitung mit Material aus dem chinesischen Staatsfernsehen zusammengeschnitten hat.

So sieht eine Corona-Diktatur aus: Da tanzt eine junge Ballerina vor vermummtem Testpersonal und ein Kind bedankt sich bei ebenfalls vermummten Blockwarten, bevor sie die Tür zur elterlichen Wohnung zunageln.

Dabei dürfte ein derartiger Rigorismus längst sinnlos sein. Zwar trommeln die staatlichen Medien, dass 88 Prozent ihrer 1,4 Milliarden Bürger geimpft seien. Aber ohnehin ist bekannt, dass chinesische Impfstoffe schon bei der Delta-Variante nur noch über eine Wirksamkeit von weit unter 50 Prozent verfügten.

Eine dritte Injektion, die nach Ansicht auch von chinesischen Virologen vielleicht mehr Schutz bieten könnte, gibt es fast gar nicht in dem Riesenreich. Zudem existieren nur sehr widersprüchliche Angaben, wie viel der heimischen Impfstoffe noch gegen die Omikron-Variante ausrichten kann.

Aber letztlich geht es um etwas ganz Anderes. Die Null-Covid-Politik von Staats- und Parteichef Xi Jinping ist nicht mehr durchsetzbar und damit gescheitert. Ein taiwanischer Think-Tank hat errechnet, dass mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Omikron-Variante in wenigen Monaten zwei Drittel der Volksrepublik China in den Lockdown gehen müssten.

Global Times. 3. April 2022. Screenshot.
Global Times. 3. April 2022. Screenshot.

Die Herrschaft von Papa Xi, den seit kurzem eine „grenzenlose Freundschaft“ zu Kriegstreiber Wladimir Putin verbindet, hat kafkaeske Züge angenommen.

Angesichts dessen beschleichen auch einst China sehr positiv gesinnte Wirtschaftsexperten zusehends tiefe Zweifel, was die Zukunft des Landes angeht. Einer davon ist George Magnus, der ehemalige Chefökonom der UBS Investment Bank, der dieser Tage von dem Fachblatt „The Markt“ aus der NZZ-Gruppe interviewt wurde und ein sehr negatives, ja fast defätistisches Resümee zog. Der Ex-Banker sieht eine „De-Globalisierung und Fragmentierung“ der Weltwirtschaft“ heraufziehen, für die China schlecht gerüstet sei.

Die Probleme seien:

– übermäßige Verschuldung,

– eine schnell alternde Bevölkerung und

– ein niedriges Bildungsniveau. Nur etwa 30 Prozent der chinesischen Arbeitnehmer haben einen Schulabschluss, nur etwa 15 Prozent gar ein Hochschuldiplom vorzuweisen.

– Und das Produktivitätswachstum sei ins Stocken geraten.

Dazu käme, dass der Immobilienmarkt etwa 29 Prozent des BIP ausmache. Da werde es bald Insolvenzen geben, findet Magnus. Er gelangt deshalb zu einem vernichtenden Urteil: „Alles, was ich an staatlicher Regulierung sehe, ist die Antithese zu Reform und Öffnung. In China gibt es keine liberale Reformagenda mehr.“

Nikkei Asia. 2. April 2022. Screenshot

Wie schnell wirtschaftliche Fehlentscheidungen einer inkompetenten und korrupten Regierung ein Land in den Abgrund führen können, haben wir am Beispiel Sri Lankas hier mehrfach beschrieben. Nach Unruhen übers Wochenende hat die Regierung Proteste vor dem Haus des Ministerpräsidenten verboten und das Internet in der Inselrepublik abgestellt.

Nachdem seine Devisenreserven auf ein Rekordtief gefallen sind, steht das südasiatische Land mit 22 Millionen Einwohnern vor der schlimmsten Wirtschaftskrise seit seiner Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948.

Sollten nicht schnell Gegenmaßnahmen getroffen werden, warnte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Winston S. Fernando, am Samstag, drohe die Tropeninsel zu einem „failed state“ zu werden. „Das Land treibt auf den Abgrund zu. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Anbei die Links dazu aus den englischsprachigen Tageszeitungen in Süd-, Südost- und Ostasien sowie anderen Weltregionen.*

Geopolitics + South China Sea – Asia on Ukraine Invasion:

The Straits Times. 2. April 2022. Screenshot.

Singapore-USA. Ukraine conflict underscores importance of defence, principled diplomacy: PM LeeThe Stratis Times

With an eye China, Japan plans 2-plus-2 talks with Philippines, India – Benar News

Tensions Russia-Japan. Russia conducts drills in northern territories – The Japan News

Russia-India. PM meets Russian Foreign Minister, says India is ready to contribute to peace efforts – The Statesman

G20 Summit a diplomatic minefield for host Indonesia. Russian leader’s insistence on attending Bali summit could cause most other global leaders to boycott the event – Asia Times

AlJazeera. 1. April 2022. Screenshot.

China + Hongkong + Taiwan:

China: Swiss screening of film about Ukrainian exile stopped in China – SwissInfo

Taiwan. Growing expert support for U.S. to act if China attacks Taiwan: survey – Focus Taiwan

China. Wang Huning and the Power of Chinese Culture – U.S.-China Perception Monitor

«China Is Facing a Big Contradiction Between its Politics and its Economics» – The Market

SubChina. 1. April 2022. Screenshot

What’s behind Taiwan’s willingness to extend compulsory military service? – SubChina

Satisfaction with Hong Kong’s press freedom drops to record low, poll finds – Hong Kong Free Press

Domestic Politics:

Sri Lanka imposes curfew, lawyers urge end to state of emergency – Nikkei Asia

Crisis Sri Lanka. Lanka on verge of becoming failed state, say bishops – The Island

Politics Pakistan. On the eve of crucial no-trust vote, PM Imran urges youth to stage ‚peaceful protests‘Dawn

Myanmar Crisis:

The Irrawaddy. 1. April 2022. Screenshot.

China to back military-ruled Myanmar regardless of situation – Eleven Media

Hun Sen. UN Myanmar envoy briefs PM on ‘three-layered solution’Phnom Penh Post

An Open Letter From a Striking Myanmar Military OfficerThe Irrawaddy

Covid-19 + Vaccine + Science:

China reports record-high five-digit daily infections with Shanghai worst hit, new variant found in Suzhou – Global Times

Business + Economy:

Trade Nepal. Experts doubt implementation of latest trade deal with China – The Kathmandu Post

Energy Nepal-India. Nepal, India agree to expand power cooperation under BBIN framework – The Kathmandu Post

The Kathmandu Post. 2. April 2022. Screenshot.

Transport. The govt. is taking steps to protect the Indian shipping companiesThe Statesman

Taiwan’s ‘silicon shield’: Why island may not be the next Ukraine – AlJazeera

Banking + Money + Crypto:

Forex China. Renminbi takes record high share in global reserves – China Daily

Media + Tech:

Fake-News. How Russia’s disinformation on Ukraine is spreading to democratic Taiwan, via China. A lack of correspondents coupled with a hunger for news of the war leave Taiwanese media too open to fake news – Radio Free Asia

Digital SE Asia. Opinion: Six strategies for digital growth in Southeast AsiaJakarta Post

Tech Japan. Japan’s Shimadzu working to develop 3D-printed meatThe Japan News 

Climate + Environment:

Foreign Policy. 2. April 2022. Screenshot.

China Is Choking Off Asia’s Most Important River. Upstream dams are destroying the Mekong Basin. – Foreign Policy

Video. Thailand makes green push with floating hydro-solar power projectBenar News

Plastics S Korea. Ban on single-use plastics returnsThe Korea Herald

Culture + Life Style + Travel:

Singapore Pavilion wins gold award at World Expo in Dubai – CNA

Pakistan. Samar Minallah Khan’s award-winning documentary captures the courage of Pashtun girls in the face of displacement – Dawn

Crime + Law + Espionage:

Pakistan. Security agencies have reported plot to assassinate PM Imran: Minister Fawad – Dawn

End of an Era: Indonesia Pursues Suharto Circle’s Debts. Power seeps away from once-feared family and cronies – Asia Sentinel

Asia Sentinel. 2. April 2022. Screenshot.

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Über den Autor

Jürgen Kremb
... ist ein deutscher Autor, Journalist und Auslandskorrespondent, der vorwiegend zu Asien, Menschenrechten und den Sicherheitsdiensten publiziert. Er studierte und lehrte Ostasienwissenschaften (Japanologie, Sinologie, Tibetologie), Volkswirtschaft und Journalismus an der FU Berlin sowie an der Pädagogischen Hochschule in Taipei/ Taiwan. Als Autor schrieb er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Dazu berichtete er für dpa, den Hörfunk und leitete mehr als zwei Jahrzehnte die SPIEGEL-Redaktionsvertretungen in Beijing, Singapur und Wien. Heute lebt Jürgen Kremb als Berater und Startup-Unternehmer in Wien und meist Singapur, von wo er sich gelegentlich auch für die NZZ und das Handelsblatt meldet.

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