Die Asien-Presseschau vom 08. April 2022 – Mit Zunahme der Covid-19 Krise in Shanghai, haben wir uns eines chinesischen Sprichwortes besonnen. „Ein Bild zeigt mehr als 1000 Worte,“ besagt es und soll uns Leitbild für die Wochenendausgabe der Medienzusammenfassung des Rikscha-Reporters aus Asien sein.
Deshalb haben wir hier ein paar Schlaglichter zu Shanghai aus den sozialen Medien zusammengestellt, die in China dieser Tage die Runde machen. Das ist Material, das in Europa selten zu sehen ist.
Aber, erste Warnung:
Wir müssen ausdrücklich darauf hinweisen, die Bilder und Clips zeigen die ungeheure Brutalität des chinesischen Alltags. Sie sind in ihrer ungefilterten Direktheit zum Teil schockierend, abstoßend und künden davon, wie weit Pekings Führung gewillt ist zu gehen, wenn es um die Durchsetzung ihrer rigorosen Machtinteressen geht.
Gleichzeitig ist aber auch auszumachen, was schief gelaufen ist mit Xi Jinpings Null-Covid-Politik und wie verzweifelt die Menschen in Chinas einst stolzester Stadt längst sind. Sie haben Hunger. Sie haben Angst, die Grundlagen ihrer Existenz zu verlieren und deshalb begehren sie auf. In einigen Stadtteilen soll nach Informationen des Rikscha-Reporters schon das Trinkwasser ausgehen. Jetzt wird das Militär geschickt, um den angerichteten Schlamassel noch schlimmer zu machen.
Wie verrückt ist das? Tiananmen 1989-2.0? Will die Armee jetzt in Shanghai aufmüpfige Bürger niederschießen, damit sie sich nicht mit Corona infizieren?
Zweite Warnung:
Das Material hat nicht gerade den besten Lesefluss. Es ist zum Teil im hochchinesischen Mandarin, aber auch in „Shanghainese“, der Lokalsprache der Hafenstadt verfasst.
Hier fangen wir mit einem Twitter-Posting der Gruppe „Great Translation“ an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das ungeschminkt zu zeigen, was im chinesischen Internet die Runde macht und deshalb selten innerhalb der Landesgrenzen zu sehen ist. Wenn Sie die Übersetzungsfunktion drücken, wird es ziemlich klar, um was es geht. Nämlich, die ständige Berieselung und Einschüchterung der Bevölkerung durch die Staatsmedien mit dem Slogan, dass alles, was nicht der offiziellen Propaganda entspricht „Fake-News“ seien und deshalb streng bestraft werde.
Unten nun, zur Annäherung an das Thema Shanghai und Covid-19. Es ist nicht klar auszumachen, ob der gefilmte Übergriff während des Lockdowns oder davor stattfand.
Die Überschrift auf „reddit“ lautet, „I can‘t breathe”, ein sicherlich nicht ungewollter Vergleich zu den Vorkommnissen um die Ermordung des 43-jährige asthmakranke Afroamerikaner Eric Garner am 17. Juli 2014 in New York durch amerikanische Polizeikräfte.
Die Szene spielt in Pudong, dem Finanzzentrum der 25-Millionen-Einwohnerstadt. Der Mann, der am Boden liegt und röchelt, „lasst mich atmen,“ ist ein Essenszusteller des Online-Fahrdienstleisters MeiTuan (美团). Die Männer, die sich über ihn hermachen, sind so genannte „Freiwillige“ „志愿者“, die im Auftrage der Sicherheitskräfte und gut bezahlt von der Stadtverwaltung für Ordnung sorgen sollen. In Deutschland nannte man Aufpasser dieser Couleur einst Blogwarte. In Shanghai heißen sie „Rotmäntel“ und genießen es sichtlich, ihre Macht an noch Schwächeren auszulassen.
Um nichts Anderes geht es bei dem nächsten Reddit-Clip. Hier werden Infizierte von Hilfskräften in Schutzanzügen in Busse geprügelt, um sie in Quarantänezentren zu verfrachten. Wahrscheinlich handelt es sich bei den Tätern um Beamte der „Volkspolizei“. Die jungen Frauen sind vermutlich Hausmädchen aus ärmeren Provinzen. Sie haben Angst, nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch ihren Job zu verlieren.
Und das ist nicht unberechtigt. Denn in den städtischen Quarantäne-Zentren sind sie sehr häufig auf sich alleine gestellt. Es gibt kein Essen, nicht ausreichend Schlafplätze, es ist schmutzig und gefährlich. Nichts mehr ist zu sehen, vom vermeintlichen Organisationstalent, mit dem Xi Jinping den Westen von der Überlegenheit des kommunistischen Modells überzeugen wollte.
Dieses Video zeigt, wie Panik in einem Quarantänezentrum ausbricht, weil es Essen zu verteilen gibt, erstmals Decken und andere Hilfsgüter angeliefert werden. Die Unterkünfte starren vor Dreck, manchmal steht den Infizierten noch nicht einmal ein Bett zur Verfügung. Ein krasser Widerspruch zu den Propagandabildern der sauberen und geordneten Aufnahmezentren, die in den staatlichen Medien die Runde machen. „Es gibt kein Wasser hier,“ sagt die Frau am Ende des folgenden YouTube-Videos. Mehr Gefängnis als Quarantäne-Einrichtung, werden die Ärmsten der Armen weggesperrt wie Tiere.
Und hier erzählt ein Bild wirklich mehr als 1000 Worte. Die Männer in den Schutzanzügen sind wahrscheinlich Beamte der bewaffneten Volkspolizei, einer Eliteeinheit, die nach Shanghai geschickt wurden, um eventuell aufkeimende Unruhen zu unterdrücken. Sie operieren de facto in einem rechtsfreien Raum.
Wer Widerstand leistet, oder gar, wie der Mann im nächsten Clip, den Sturz der kommunistischen Partei und den Sturz von Xi Jinping fordert, erfreut sich nicht mehr lange seiner Freiheit. Leider ist davon auszugehen, dass er kurze Zeit später verhaftet wurde und länger weggesperrt wird. Im Hintergrund sind noch die hysterischen Schreie seiner Frau zu hören, dass er aufhören soll. Sie ahnt schon, was folgen wird.
Nicht klar ist, was der Mann hier verbrochen hat, um so verprügelt zu werden.
Noch verzweifelter ist der Mann unten. Es ist nicht alles zu verstehen, was er sagt, denn er spricht Dialekt. Aber er ruft, dass er nur noch Essen für fünf Tage habe und seine Angestellten bezahlen müsse. Das Geld wäre aufgebraucht.
Wahrscheinlich ein Unternehmer, der aufgrund des Lockdowns vor dem Nichts steht. Er ruft: „Kommt und verhaftet mich. Was ist das für eine kommunistische Partei. Nehmt mich mit, ich habe nichts mehr zu verlieren.
Zur Zusammenfassung deshalb im Folgenden die eher nüchterne, aber nicht weniger alarmierende Analyse des Berliner Think-Tanks MERICS zur Lage in Chinas Wirtschafts- und Finanzkapitale: „Shanghai wollte einen kompletten Lockdown vermeiden, zahlt nun aber einen viel höheren Preis. Das bringt die Stadt und ihre Führung in eine schwierige Lage und dämpft Chinas sozioökonomische Aussichten für den Rest des Jahres“, sagt MERICS-Experte Vincent Brussee. „Die Zentralregierung hat ihre dynamische Null-Covid-Strategie erneut bekräftigt, steht aber vor einer Mammutaufgabe. Während Europa allmählich zur Normalität übergeht, sehen viele in China noch kein Licht am Ende des Tunnels. Das könnte in Chinas Politik und Gesellschaft im Vorfeld des 20. Parteitags für Unsicherheit sorgen.“
Anbei die Links dazu aus den englischsprachigen Tageszeitungen in Süd-, Südost- und Ostasien sowie anderen Weltregionen.*
Geopolitics + South China Sea – Asia on Ukraine Invasion:
G20 Indonesia. Indonesia evaluating calls to remove Russia from G-20 – The Straits Times
Tensions Russia-Japan. Russian military becoming more active in Japan’s vicinity – The Japan News
South China Sea. Việt Nam asks China to cease militarisation in South China Sea, reasserts sovereignty over islands – Vietnam News
France-India. Editorial: Next level – The Statesman
South Korea wants US strategic weapons on its soil. Seoul seeks redeployment of US bombers, carriers and nuclear submarines to deter Pyongyang’s new nuke threats – Asia Times
China + Hongkong + Taiwan:
Tibet China. Can’t banish China from Tibet, need to learn peaceful coexistence: Dalai Lama – The Statesman
Hong Kong. China’s central govt approves resignation of John Lee who would run for HK Chief Executive – Global Times
Hong Kong gov’t refuses to say which library books are banned under national security law
Hong Kong. Making the list available “may lead to wide circulation of such library materials with malicious intent,” it says. – Hong Kong Free Press
Pelosi in Taiwan. Taiwan wishes U.S. House Speaker speedy recovery from COVID-19 – Focus Taiwan
Domestic Politics:
Bangladesh abstains from voting on suspending Russia’s membership of UN Human Rights Council – The Daily Star
Korea. North demolishing hotel that was symbol of Korean engagement – Japan Today
Crisis in Myanmar, Pakistan + Sri Lanka:
Pakistan. Supreme Court restores National Assembly, orders no-confidence vote to be held on Saturday – Dawn
Pakistan. Editorial: The reckoning – Dawn
Sri Lanka. Opinion: Turmoil in the neighbourhood – The Daily Star
Economy Sri Lanka. Power and fuel crises expected to severely hit SL’s tea industry – The Island
Covid-19 + Vaccine + Science:
Shanghai Readies ‘Shelter Hospital’ for 50,000 COVID-19 Patients. The city reported record coronavirus cases Thursday, as the country’s financial hub enters its second week of lockdown – Sixth Tone
Shanghai lockdown snarls world’s busiest port and China supply chains – Japan Today
Shanghai Lockdown on Social Media: “Panic Surrounding Epidemic More Dangerous than Epidemic Itself” In the midst of the Shanghai phased lockdown, some on social media say present-day Shanghai feels like two worlds in one city. – What’s on Weibo
Shanghai: Residents ‚running out of food‘ in Covid lockdown – BBC News Asia
Covid-19 Philippines. WHO warns of new COVID surge in 2 months, urges PH to prepare – Inquirer News
Business + Economy:
Oil Crisis Philippines. Opinion: Managing the effects of the oil crisis – Inquirer
Fertilizer Thailand. Fertiliser costs expected to more than double for Thai farmers – The Nation
Logistics Vietnam. Businesses lose out as transport, logistics costs continue to soar – Vietnam News
Banking + Money + Crypto:
Myanmar. Unknown gunman shots Central Bank Vice-Governor Daw Than Than Swe – Eleven Media
Media + Tech:
Elections Philippines. Misleading FB accounts purged ahead of polls – Inquirer News
EV China. China’s new energy vehicles to grab 65% share of global market – China Daily
Climate + Environment:
Nepal-Himalaya. All-Black team set to climb Everest – The Kathmandu Post
Culture + Life Style + Travel:
North Korean women find their place in the „Atlas of Beauty. „Romanian photographer visited the country as part of her nearly decade-long project to capture the unseen beauty of women around the world – Radio Free Asia
Crime + Law + Espionage:
Islamic school sex abuse under assault in Indonesia. Religious school principal sentenced to death for raping 13 schoolgirls as new sexual violence legislation nears final vote – Asia Times
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