Ein wirrer Hongkonger Sicherheitschef bezichtigt den inhaftierten Verleger Jimmy Lai jetzt noch der Geldwäsche. Und warum sagt Japan die Olympischen Spiele nicht ab? (Die Asien-Presseschau vom 19. Mai 2021)

Japan Today 18. Mai 2021. Screenshot.

Man wundert sich ja immer, dass es selbst für die schäbigsten Jobs Menschen gibt, die diese mit Inbrunst ausfüllen und kein Problem haben, ihre Mitmenschen und die Welt anzulügen. Wider besseres Wissen. Wider den Anstand. Wider jedwedem Schamgefühl. Unter Politikern ist diese Spezies angeblich besonders verbreitet. Man hat sich dran gewöhnt. „Der Mensch ist gut, aber die Leut‘ sin a G‘sindel,“ heißt das im Wiener Schmäh.

Als Super-G’sindel wurde Hongkongs Sicherheitsminister John Lee am Montag in der Stadt an der Mündung des Perlflusses besonders auffällig. Er bestritt nämlich vehement, dass er die Pressefreiheit in der chinesischen Sonderverwaltungszone einschränke, indem er das Vermögen des pro-demokratischen Medienmagnaten Jimmy Lai einfriere.

Am vergangenen Freitag hatten Lees Schergen alle Aktien von „Next Digital“ aus dem Verkehr gezogen. Das ist die Holding verschiedener Magazine und vor allem der pro-demokratischen Zeitung „Apple Daily“. Das Boulevard-Blatt war die letzte bedeutende Stimme des unabhängigen Journalismus und der Freiheit in Hongkong gewesen. Ebenfalls am Freitag war der 74-jährige Verleger Lai mit anderen Mitstreitern aus der Hongkonger Demokratiebewegung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden.

Ihre Verbrechen, sie hatten im Jahr 2019 angeblich „unerlaubte“ Demonstrationen organisiert, um gegen die Unterdrückung der Demokratie in Hongkong durch Peking zu protestieren. Dabei waren bis zu einem Viertel der Stadtbevölkerung auf den Beinen gewesen. Das ist nach dem von Peking im März diktierten „Sicherheitsgesetz“ auch rückwirkend zu betrafen – mit bis zu lebenslänglicher Haft sogar.

Global Times. 17.Mai 2021. Screenshot. Jimmy Lai in Ketten.
Global Times. 17.Mai 2021. Screenshot. Jimmy Lai in Ketten.

Es bestehe der „begründete Verdacht“, sagte der Hongkong-„KGB“-Mann Lee, dass das Einfrieren von Lais Vermögen rechtfertigte. „Die Maßnahme, die wir diesmal ergriffen haben, waren ein Durchgreifen gegen ein Verhalten, das die nationale Sicherheit gefährdet.“ Und all das habe keinen direkten Bezug zur journalistischen Arbeit von Jimmy Lai gehabt. „Jeder, der irgendeinen Job macht, muss sich an das Gesetz halten.“

Lee fügte hinzu, dass das Einfrieren von Vermögenswerten ein „international anerkanntes“ Mittel sei, um Geldwäsche und illegale Finanzierung zu bekämpfen oder zu verhindern, und nichts mit privaten Eigentumsrechten zu tun habe.

Im Hinterkopf höre ich Lai raunen, wie er da auf der Anklagebank sitzt, und sein Lebenswerk dahinschmelzen sieht: „John Lee, Du Verräter der Demokratie in Hongkong, bist ein verdammtes Schildkrötenei.“ Oder ähnlich. Aber wahrscheinlich hat Lai doch „John Lee, Du Schildkrötenei“ gesagt.

Denn das Wort „Schildkrötenei“ (auf chinesisch „wangba dan“ = 王八蛋“) hat Jimmy Lai berühmt gemacht. Es heißt etwa soviel wie „Bastard“ oder das Englische „son of a bitch.“

Anfang der Neunzigerjahre war Jimmy Lai ein steinreicher Unternehmer in Hongkong gewesen. Er betrieb das florierende Textillabel Giordano. Aufgebracht über die blutige Niederschlagung der Studentenproteste auf dem Pekinger Platz des himmlischen Friedens am vierten Juni 1989, hatte er den Next-Magazin-Verlag gegründet, aus dem später die äußerst erfolgreiche „Apple Daily“ hervorging. Es war schon bald die auflagenstärkste Zeitung der Stadt.

In einer Kolumne für „Next“ beschimpfte Lai 1993 den chinesischen Premierminister Li Peng, der auf dem Tiananmen-Platz den Schießbefehl erteilt hatte, als „wangba dan.“ In Folge zwang ihn die chinesische Regierung alle Giordano-Filialen in China zu schließen und bald darauf auch seine Aktien, des in Hongkong gelisteten Unternehmens abzustoßen. Bei Zuwiderhandlung drohte Peking die gesamte Firma in den Bankrott zu treiben.

Ich besuchte Lai damals mit meinem Fotografen Adrian Bradshaw in seiner imposanten Villa in Hongkong. Es gab reichlich Veuve Clicquot  und Abalonen. Seine deutlich jüngere Frau trug ein rot-schwarz gestreiftes Poloshirt. Und er erzählte bis spät in die Nacht seine ungewöhnliche Lebensgeschichte.

Mit Jimmy Lai und Frau. Foto. Adrian Bradshaw.

1947 in Guangzhou (Kanton) in Südchina geboren, erlebte er eine Kindheit voll Unterdrückung und Armut. Weil sein wohlhabender Vater vor den Kommunisten nach Hongkong geflüchtet war, steckten diese seine Mutter ins Arbeitslager. Er und seine Geschwister sammelten Müll. Mit zwölf gelang ihm selbst als blinder Passagier auf einem Flussdampfer die Flucht nach Hongkong. Dort schlug er sich als Kinderarbeiter in Textilfabriken durch, war Marktschreier, bis er aus seinen bescheidenen Ersparnissen eine bankrotte Textilfirma aufkaufen konnte und diese zu der Weltmarke Giordano ausbaute.

Spät am Abend machte er aus seinem Herzen keine Mördergrube. Die Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik China war schon in greifbare Nähe gerückt und Jimmy Lai zeigte sich mehr als skeptisch. Er misstraute den Kommunisten. Für ihn waren sie alle „wangba dan“ und er wagte schon damals eine kühne Voraussage: „Sie werden sich nicht an die Verträge mit den Briten halten und Hongkong bekommt nie Demokratie.“

Der wohl älteste „angry young man“ Hongkongs sollte Recht behalten. Einzig im Zeitraum hatte er sich getäuscht. Keine zehn Jahre, meinte er damals, werde Hongkongs Freiheiten nach der Überhabe an China zum erste Juli 1997 noch währen.

Es sind etwa 20 Jahre geworden.

Viel weniger Zeit hat die japanische Regierung, um die Olympischen Sommerspiele in Tokio abzusagen. Mittlerweile rollt die vierte Covid-19-Welle über das immer hilfloser erscheinende Industrieland hinweg. Selbst die Stadtverwaltung von Tokio verheddert sich bei der Impfkampagne und 80 Prozent der Bevölkerung fordern von der Regierung Yoshihide Suga dem kopflosen Treiben endlich ein Ende zu bereiten und Olympia adé zu sagen.

Die Links dazu anbei, in den Asien-News-Highlights aus den englischsprachigen Tageszeitungen in Süd-, Südost- und Ostasien sowie anderen Weltregionen.*

Global Times/ China. 19. Mai 2021. Screenshot.

Geopolitics + South China Sea + Middle East – Asia:

US House speaker Nancy Pelosi calls for ‘diplomatic boycott’ of Beijing OlympicsHong Kong Free Press

Energy China-Russia. Xi, Putin to launch nuclear energy projects as recovery efforts intensify – China Daily

How far can US go to scout for military bases closer to China? – Global Times

PLAGF’s Xinjiang Military Command operating new 122 mm, 4×4 SPH – Janes Defence News

U.S. Navy ship sails through Taiwan Strait, 5th time under Biden – Focus Taiwan

China’s greed to capture the South China Sea – Mizzima

China’s navy in live-fire drills across three theatre commands, hinting at moves to counter US – South China Morning Post

India–Pakistan rivalry heating up over Afghanistan – Eastasiaforum

Submarine Indonesia. Sunken Indonesian sub’s life raft lifted with assistance from China – China Daily

Palestine-Israel. Pakistani FM Qureshi, Turkish FM discuss ways to mobilise global community to stop Israeli aggression – Dawn

Chinese netizens call for boycott of Netflix Thai-language drama ‘Girl from Nowhere’ after social media post ‘splits up China’ – Global Times

China + Taiwan + Hong Kong:

China skyscraper wobbles, spreading panic in downtown Shenzhen – The Straits Times

Hong Kong temporarily closes its office in TaiwanHong Kong Free Press

Hong Kong leader refuses to say if attending Tiananmen Massacre vigil is illegal

Chief Executive Carrie Lam says it is „impossible“ for her to comment on the legality of the annual June 4 gathering because such a decision is a matter for the courts. – Hong Kong Free Press

DPP smears mainland kindness as ‘Greek gifts,’ sparks public controversy, discontent Controversy, discontent sparked by refusal of vaccines across Taiwan Straits – Global Times

5G. Huawei, Unicom deepen 5G alliance – China Daily

Bangkok Post, 18. Mai 2021. Screenshot.

Covid-19 + Vaccine:

Phase 2 vaccine trials nearly completed: Tsai – Taipei Times

Foreigners barred for a month: CECC – Taipei Times

As fourth wave spreads, local governments in Japan prep mass vaccination sitesThe Japan Times

S’pore delays 2nd Covid-19 vaccine dose to 6-8 weeks later; those aged 40-44 can register for jabs from Wednesday – The Straits Times

Gov’t pledges to fix embarrassing vaccine booking system flaw – Japan Today

Vaccine South Korea-US. Biden’s vaccine export plans boost ‘vaccine swap’ prospects for Korea – Korea Herald

Covid-19 Nepal. Highly contagious double mutant Indian variant responsible for current surge of Covid-19 cases – Kathmandu Post

Myanmar Crisis:

Shan EAOs crucial to a federal army, but distrust and disunity reign – Southeastasia Globe

More than 15,000 people from Myanmar seeking shelter in Indian border state: Official – Reuters for The Straits Times

Bangladesh. Crises in India, Myanmar diverting export orders to BangladeshThe Daily Star 

Currency. Plunging value of the kyat shocks Myanmar businesses – Eleven Media 

Inflation. Consumers hit by Upto 15 per cent increases in food prices – Eleven Media 

Asean. Editorial: ASEAN, hurry upJakarta Post

Thirteen Warnings for Myanmar Junta Chief Snr-Gen Min Aung Hlaing – The Irrawaddy

US hits Myanmar ministers, central bank chief with sanctions – Mizzima

The Irrawaddy, 18. Mai 2021. Screenshot.

Myanmar teen describes junta’s brutal treatment of detained women – Mizzima

KIA Attacks Seven Tankers Supplying ‘Aviation Fuel’ for Regime – The Irrawaddy

Myanmar Navy Deserters Speak Out Against Military Regime – The Irrawaddy

Business + Economy:

Jobs Philippines. Agency warns overseas filipino workers on ‘third-country recruitment’ scheme – Inquirer 

Semiconductor industry stable despite COVID-19 surge: officials – Focus Taiwan

China bans financial, payment institutions from cryptocurrency business – Reuters

India. Google to support news industry in India, rolls out News Showcase – The Statesman

Business Vietnam. Alibaba, Baring Private Equity Asia invest $400m in Masan retail arm, The CrownX – Vietnam News

Climate + Environment:

Taiwan’s hydropower plants hard-hit by drought this year – Focus Taiwan

Mekong. MRC to monitor Mekong flow with French support– Vientiane Times

Daily NK, 4. Mai 2021. Screenshot

Domestic:

World Economic Forum cancels meeting scheduled to be held in S’pore in August, Shangri-La forum keen to carry on – The Straits Times

North Korea. Six students in Nampo sent to reeducation camp for watching South Korean dramas and movies – Daily NK

Afghanistan. FM: China ready to facilitate talks among Afghan parties – China Daily

Media: 

Journalism Bangladesh. Respected investigative journalist Rozina sent to jail, hearing on bail – The Daily Star

Journalist Rozina’s arrest: Peers demand voluntary imprisonment in protest – The Daily Star

Freezing of assets belonging to media tycoon Jimmy Lai not a press freedom issue, says Hong Kong security chiefHong Kong Free Press

Hong Kong tycoon Jimmy Lai’s Taiwan paper to stop print edition – CNA

Culture + Olympics + Education:

Education India. 67% Indians prefer US for higher education: Report – The Statesman

Over 80% in Japan oppose Olympics this year: poll – Japan Today

Taipei wins big at 2021 IDC Smart City Asia Pacific Awards – Focus Taiwan

Art South Korea. Barakat Contemporary’s director pushes Seoul as art hub of Asia – Korea Herald

Crime + Law:

Govt considers releasing 50,000 inmates as Covid hits prisons – Bangkok Post

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Über den Autor

Jürgen Kremb
... ist ein deutscher Autor, Journalist und Auslandskorrespondent, der vorwiegend zu Asien, Menschenrechten und den Sicherheitsdiensten publiziert. Er studierte und lehrte Ostasienwissenschaften (Japanologie, Sinologie, Tibetologie), Volkswirtschaft und Journalismus an der FU Berlin sowie an der Pädagogischen Hochschule in Taipei/ Taiwan. Als Autor schrieb er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Dazu berichtete er für dpa, den Hörfunk und leitete mehr als zwei Jahrzehnte die SPIEGEL-Redaktionsvertretungen in Beijing, Singapur und Wien. Heute lebt Jürgen Kremb als Berater und Startup-Unternehmer in Wien und meist Singapur, von wo er sich gelegentlich auch für die NZZ und das Handelsblatt meldet.

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