Die Lehren aus dem Ukraine-Krieg in Asien: Japan stellt seine Militärstrategie komplett um. Und Taiwans Studenten wollen länger dienen.

Axios. 21. März 2022. Screenshot.Axios. 21. März 2022. Screenshot.

Die Asien-Presseschau vom 21. März 2022 – Auch Asiens Nachkriegsordnung wird vom Überfall Russlands auf die Ukraine vollkommen auf den Kopf gestellt.

Am auffälligsten sind die Veränderungen wohl in Japan. Erstmals schickt das Land, dessen Verfassung militärische Aktivitäten eigentlich nur zur „Selbstverteidigung“ erlaubt, im Rahmen der Ukraine-Krise Waffen in ein europäisches Land und verkündete im Chor mit westlichen Verbündeten beispiellose Sanktionen gegen seinen Nachbarn im Nordwesten.

Das ist besonders heikel, denn Japan streitet sich mit Russland nicht nur um die Vorherrschaft von vier Inseln der Kurilen-Gruppe, die nördlich von Hokkaido gelegen ist. Und wie Europa auch, ist Tokio sehr von Energielieferungen aus Sibirien abhängig, um die Wirtschaft der drittgrößten Industrienation der Welt am Laufen zu halten.

„Japan hat mit seiner harten Reaktion auf die Invasion in der Ukraine mit jahrelangem Vorgehen gebrochen. Der Konflikt könnte aber vor allem Tokios Verteidigungsstrategie im Hinblick auf Chinas regionale Ambitionen neugestalten,“ schreibt die Japan Times.

The Japan Tims. 20. März 2022. Screenshot.

In der Vergangenheit war Tokio stets besorgt, dass ein aggressives Vorgehen gegenüber Russland nur Moskau in die Arme Pekings treiben könnte. Stattdessen ist man nun der Ansicht, dass Japan gegenüber Russland hart sein muss, weil es sonst einen Präzedenzfall schafft und China vielleicht dazu ermutigt, dasselbe zu tun.

Schon im Wahlkampf des vergangenen Jahres setzte sich die regierende Liberaldemokratische Partei deshalb das langfristige Ziel, den Verteidigungshaushalt von traditionell ein Prozent auf über zwei Prozent des BIP zu erhöhen.

In Abkehr von seinen Vorgängern Suga Yoshihide und besonders Shinzo Abe hat der amtierende Premier Fumio Kishida nicht nur erklärt, dass Japan im Falle eines chinesischen Angriffskrieges den „demokratischen Brüdern in Taiwan“ militärisch beistehen werde. Auch möchte er das Verbot der Stationierung von US-Atomsprengköpfen in Japan angesichts der Bedrohung von China und Nordkorea überdenken.

Japan verlässt sich zwar auf den nuklearen Schutzschirm der USA, darf aber seit langem keine Atomwaffen herstellen, besitzen oder beherbergen. Die beginnende Diskussion über dieses Thema in einem Land, das unter den Bombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki zu leiden hatte, zeigt die weitreichenden Auswirkungen der Ukraine-Krise.

Der Terminus „Selbstverteidigung“, der im Nachkriegs-Japan die in der Verfassung festgeschriebene und als etwas euphemistische Umschreibung für alles Militärische galt, dürfte in Zukunft wohl nur noch als politisch korrektes Feigenblatt herhalten müssen.

The Taipei Times. 20. März 2022. Screenshot.

Aber das ist kein Wunder. Denn im vergangenen Jahrzehnt hat China unter Staats- und Parteichef Xi Jinping gerade in der Südchinesischen See Fakten geschaffen, die Japans Versorgung mit Rohstoffen erheblich gefährden und damit seine Existenz als drittgrößte Industrienation fundamental in Frage stellen.

Erst am Wochenende sagte Admiral John C. Aquilino, der Kommandeur der US-Pazifikflotte, dass China nun den Ausbau von drei Inseln in der Meeresregion zu Militärstützpunkten abgeschlossen habe: „Ich glaube, wir haben in den letzten 20 Jahren die größte militärische Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg im Pazifik erlebt.“ Noch gegenüber US-Präsident Barack Obama hatte Xi versichert, dass er die zwischen den Anrainer-Staaten umstrittenen und von China weitgehend besetzten Inselgruppen nie militärisch nutzen werde.

Jetzt sind aus den ehemals unbewohnten, teils nur bei Ebbe aus dem Wasser ragenden Atollen und Sandbänken waffenstarrende Militärbasen geworden. Sie erlauben Peking seine Macht bis weit in den Pazifik zu projizieren und die internationale Handelsschifffahrt auch nach Japan und Südkorea zu kontrollieren.

Global Times. 20. März 2022. Screenshot.

Diese Gefährdungslage und die ersten Lehren aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine führen nun auch zu einem massiven Umdenken der Verteidigungsstrategien in Taiwan. In den vergangenen Tagen haben sich besonders Studentenverbände zu Wort gemeldet.

Sie fordern von Präsidentin Tsai Ing-wen, angesichts der permanenten Bedrohungslage aus China die Länge sowie Intensität des Wehrdienstes zu überdenken und mehr Konzepte für eine zivile Verteidigung der 24-Millionen-Insel zu entwickeln.

Anbei die Links dazu aus den englischsprachigen Tageszeitungen in Süd-, Südost- und Ostasien sowie anderen Weltregionen.*

Geopolitics + South China Sea – Asia on Ukraine Invasion:

Report: U.S. admiral says China has fully militarized three islands in South China SeaAxios

China. Wang: China stands on the right side of history on Ukraine issueChina Daily

Diplomacy Japan-Cambodia. Japan PM visits Cambodia, also one of China’s key partners – The Japan News

Eyeing China, Japan breaks with past for strong Ukraine responseThe Japan Times

How long can US politicians and media continue to play ‚double act‘?: Global Times editorial – Global Times

Global Times. 21. März 2022. Screenshot.

China + Hongkong + Taiwan:

Society Singapore. ST CloseUp: The rise of pro-China Singaporeans and what it means for SingaporeThe Straits Times

China’s new rules on military equipment procurement contracts ‚vital to modernization‘ – Global Times

Taiwan. Conscription reform needed: students – Taipei Times

Domestic Politics:

Elections Timor. Ramos-Horta early frontrunner in Timor Leste electionJakarta Post

Myanmar Crisis:

Benar News. 20. März 2022. Screenshot.

Biden administration rules Myanmar army committed genocide against RohingyaThe Japan Times

Myanmar’s humanitarian needs increase as conflict continues, says United Nations – The Star

Covid-19 + Vaccine + Science:

China locks down millions more as Covid spreads, reports first deaths in over a year. Since March 11, Changchun’s nine million people have only been allowed out once every two days to buy food. – Hong Kong Free Press

HK runs out of coffins as Covid deaths surge. City’s death rate per million continues to lead the world by a long shot as health workers struggle to manage the body count – Asia Times

Asia Tims. 17. März 2022. Screenshot.

Business + Economy:

FDI Vietnam. Overseas Vietnamese invest US$1.72 billion in Việt Nam in 2021 – Vietnam News 

Trade India. India’s maize exports at an all-time high of $ 816.31 million in current fiscal, surpassing $ 634.85 million – The Statesman

Trade Pakistan. Fourth ITI train departs for TurkeyDawn

Economy Sri Lanka. Interview: Former PM Ranil on what needs to be done – The Island

Vietnam News. 21. März 2022. Screenshot.

Banking + Money + Crypto:

Apec’s central banks worried that volatile oil price will drive up inflation – The Nation

Media + Tech:

Jobs. Asian workers pushed to upskill as pandemic quickens digital shift – The Star

EV India. Suzuki Motor to invest $1.3 bn for EV production in India – The Statesman

Thailand. Mitsubishi Thailand will shift focus to EVs by 2024, says CEO – The Nation

Climate + Environment:

Asia hit by food security fears amid war in Ukraine – The Straits Times

Globe SEA. 21. März 2022. Screenshot.

Cambodia crocodiles set loose to save their lives. Conservation group releases the largest batch of endangered Siamese crocodiles to reinforce the wild population of predators – Globe South East Asia

Culture + Life Style + Travel:

South Korea. Hana Financial Group joins $2.6b bid to buy Chelsea FC – The Korea Herald

Travel Indonesia. Editorial: Bali reopensJakarta Post

Tourism Nepal. Opinion: We are all tourists – The Kathmandu Post

Crime + Law + Espionage:

Sri Lanka tests UN’s patience on human rightsBBC Asia

BBC Asia. 19. März 2022. Screenshot.

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Über den Autor

Jürgen Kremb
... ist ein deutscher Autor, Journalist und Auslandskorrespondent, der vorwiegend zu Asien, Menschenrechten und den Sicherheitsdiensten publiziert. Er studierte und lehrte Ostasienwissenschaften (Japanologie, Sinologie, Tibetologie), Volkswirtschaft und Journalismus an der FU Berlin sowie an der Pädagogischen Hochschule in Taipei/ Taiwan. Als Autor schrieb er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Dazu berichtete er für dpa, den Hörfunk und leitete mehr als zwei Jahrzehnte die SPIEGEL-Redaktionsvertretungen in Beijing, Singapur und Wien. Heute lebt Jürgen Kremb als Berater und Startup-Unternehmer in Wien und meist Singapur, von wo er sich gelegentlich auch für die NZZ und das Handelsblatt meldet.

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