Chinas grässlicher Frauenhandel überschattet Olympia. Jedes Jahr werden mehrere Zehntausend Frauen versklavt.

FAZ. 4. Februar 2022. Screenshot.

Dass das mit der damaligen Bild-Schlagzeile „Wir sind Papst“ nicht sehr glorreich zu Ende ging, wissen wir. Deshalb ist es höchste Zeit, mit der Illusion „wir sind Olympia“ angesichts des frauenverachtenden Auftretens, der Missachtung von Menschenrechten des IOC-Präsidenten Thomas Bach gehörig aufzuräumen. Denn:

Thomas Bach ist eine Schande für das Ansehen Deutschlands in der Welt.

Wie kann jemand aus meiner Generation, der Baby-Boomer, die wir mit der Aufarbeitung der Gräuel des Dritten Reiches aufgewachsen sind, so stumm, so ignorant, so selbstherrlich und verblendet vor einem Diktator wie Xi Jinping und seinem kommunistischen Regime zu Kreuze kriechen?

Wie kann er einen Potentaten hofieren, von dem wir wissen, dass er Millionen Menschen alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe und Religionsgemeinschaft in Arbeitslager steckt? In Lager, in denen Frauen massenweise vergewaltig und zwangssterilisiert werden. Lager, die definitiv Konzentrationslager, wahrscheinlich sogar Vernichtungslager sind?Youtube. Deutsche Welle. Chinas Arbeitslager.

Denn 500.000 Menschen sind nach den letzten Schätzungen in Chinas Autonomer Region Xinjiang verschwunden. Das ist die Heimatregion der Minderheiten der muslimischen Uiguren, Kasachen und Kirgisen, denen Chinas KP-Chef Xi den Krieg erklärt hat – wahrscheinlich sogar den Vernichtungskrieg ihrer Kultur.

Und wie kann ein deutscher Mann aus meiner Generation sich so billig machen in dem himmelschreienden Skandal, um den sexuellen Missbrauch der Sportlerin Peng Shuai?

BBC-Asia. 20. Dezember 2021. Screenshot.

Zunächst noch einmal die Fakten zu der Affäre: Mit zwei Grand Slam-Titeln ist Peng Chinas prominenteste Tennisspielerin. Ihre Eltern sind Polizeibeamte aus der Provinz Hunan. Am 2. November 2021 berichtete die 36-Jährige auf der chinesischen Social-Media Plattform Weibo über ihre erzwungene, sexuelle Beziehung mit dem ehemaligen Politbüro-Mitglied und Vize-Premierminister Zhang Gaoli. Der KP-Politiker ist Jahrgang 1946.Youtube zu Peng Shuai und Zhao Gaoli.

In ihrer Schilderung berichtet Peng Shuai explizit, wie der vier Jahrzehnte ältere, machtvolle „Sugar-Daddy“, nicht anders als Harvey Weinstein, sie über Jahre kraft seines Amtes als Sex-Püppchen missbrauchen durfte. Nein, es war nie von „Vergewaltigung“ die Rede. Schlimmer, die junge Sportlerin musste ihm gefällig sein, zugeführt wurde sie von Zhangs Ehefrau, die bei den Schäferstündchen vor der Schlafzimmertür im Wohnviertel für Spitzenfunktionäre Wache hielt.

Und ja, alle wussten davon, denn Zhang zeigte sich mit der schönen Beute auch auf dem Tennisplatz des Zentralkomitees. Worüber Peng sich auf Weibo wirklich beklagte, ist, dass Zhang ihr offenbar die Heirat, Ruhm und Reichtum versprochen hatte, aber letztlich sich nur als ein schäbiger Pfennigfuchser erwies. Als Heiratsschwindler.

Warum schritt niemand ein? Weil es üblich ist, dass mächtige Politiker in China, sich junge und besonders prominente Frauen, aus Sport, Showbiz und Medien requirieren dürfen. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass dafür eigens eine Sondereinheit des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas existiere.

New York Times. 26. Januar 2022. Screenshot.
New York Times. 26. Januar 2022. Screenshot.

Chinas notorischer Frauenheld Mao Zedong, der sich stets einen ganzen Harem von jungen Mädchen hielt, ließ sich gerne damit zitieren, dass Frauen in China „die Hälfte des Himmels tragen.“ Ein böser Schmäh in China besagt deshalb, dass dieses Zitat missverstanden worden sei. Eigentlich „gehöre“ KP-Spitzenkadern nämlich, wie einst dem Kaiser auch, die „Hälfte des Himmels“.

Und jetzt kommt Thomas Bach wieder ins Spiel. Anstatt sich auch nur halbwegs zu informieren, was die junge Frau auf ihrem Weibo-Konto geschrieben hatte, lässt er sich vor den Karren der KP spannen, telefoniert am 21. November mit der Frau. Es ist klar, dass sie festgehalten wurde und es besteht auch gar kein Zweifel, dass ihr die Aussage vom „großen Missverständnis“ (die gestern wieder in Umlauf kam) aufgezwungen wurde. Alles um nur keinen Schatten über die gemeinsamen IOC- und KP-Propaganda-Spiele zu werfen.

Where is Peng Shuai? Twitter-Screenshot.

Das klingt ein bisschen wie Franz Beckenbauer: „Ich habe keine Zwangsarbeiter in Katar gesehen.“

Diese Woche* möchte sich nun Bach nochmals mit Peng Shuai treffen. (*Nach Veröffentlichung dieses Artikels wurde bekannt, dass Thomas Bach die Tennisspielerin bereits am Samstag, 5. Februar in Peking getroffen hat.) Die Propaganda von der „Hälfte des Himmels“, die im kommunistischen China angeblich den Frauen zustehe, muss auch während Winterolympiade in Peking aufrecht erhalten werden – gerade dann.

Da ist es schon bittere Ironie, dass selbst in der eigentlich streng kontrollierten chinesischen Staatspresse ausgerechnet jetzt die Wahrheit vom massiven Ausmaß des Frauenhandels die Propaganda der Spiele überschattet.

Aufgekommen war das Tabuthema mit der Geschichte eines Bloggers, der im Januar dem Bericht einer Lokalzeitung nachrecherchiert hatte. Darin war von einer Frau in der Provinz Jiangsu die Rede, die angeblich acht Kinder zur Welt gebracht hatte.

Doch als der Bürgerjournalist in dem Dorf der Frau ankam, fand er sie halb nackt, geistig verwirrt und unterernährt in einem Stall. Sie war angekettet, dass sie nicht fliehen konnte.  Und man hatte ihr wohl – da gehen die Berichte auseinander – die Zunge herausgetrennt. Ihr Ehemann hatte sie vor Jahren gekauft, und dass sie nicht weglief, eingesperrt.

Schlimmer noch, sie wurde offenbar regelmäßig von zahlreichen alleinstehenden Bauern im Dorf missbraucht. Und auch die Polizei und der lokale KP-Posten wußten davon. Vorerst gibt es die Berichte nur in chinesisch-sprachigen Medien. Aber eine Warnung vorweg, die Bilder und Videoclips sind nichts für schwache Nerven.

Doch das war erst der Anfang. Trotz strenger Zensur poppen nun Berichte von entführten Frauen aus allen Landesteilen auf. Es trifft nicht nur verarmte und ungebildete Mädchen, sondern auch von Hochschulabsolventinnen ist die Rede. Sie werden in Bars und Bussen betäubt, verschleppt und kommen Tage später in völlig entlegenen Landesteilen wieder zur Besinnung.

Dort sind sie eingesperrt, bald mit einem Bauern verheiratet und müssen auch dessen Brüdern und Freunden gefällig sein. Wer flüchtet, den bringt die lokale Polizei wieder zurück. Die Dunkelziffer des Albtraums ist schrecklich hoch. Aber in der Vergangenheit hat es immer mal wieder staatliche Kampagnen zur „Befreiung von verkauften Frauen“ gegeben, bei denen von jeweils Zehntausenden Opfern die Rede war.

官媒也看不下去!新華社主管:拐賣婦女比北京冬奧更令人關注, schreibt die Liberty Times aus Taiwan heute: „Nicht einmal die offiziellen Medien können es sich ansehen! Xinhua-Chef: Frauenhandel ist ein größeres Problem als die Olympischen Winterspiele in Peking.“

So abscheuliche Berichte von Gruppenvergewaltigungen, wie man sie bisher nur aus Indien kennt, sind offenbar auch in Chinas Dörfern an der Tagesordnung. Der Unterschied nur, in Indien herrscht Pressefreiheit und die Täter werden meist hart bestraft. In China, so legen die Fälle nahe, geschieht das mit Billigung der lokalen Kader von KP, Polizei und Staatssicherheit. Denn der Fisch stinkt vom Kopf.

Youtube-Screenshot. Versklavte, misshandelte Frauen in China.

Die Geschichte der KP ist auch eine Geschichte des Frauenmissbrauchs. Zhang Gaoli, dem pensionierten „Sugar Daddy“ aus dem Politbüro, dem obersten Führungsgremium der KPCh wurde natürlich kein Haar gekrümmt. Auch zum diesjährigen Frühlingsfest stand er wie hundert andere Spitzenkader auch, auf der exquisiten Glückwunschliste von Xi Jinping. Das vermeldet die Nachrichtenagentur Xinhua vor wenigen Tagen.

Und da sind wir wieder bei Thomas Bach.

Natürlich kann man dem deutschen IOC-Präsidenten aus Würzburg nicht vorwerfen, für den Frauenhandel in China verantwortlich zu sein. Aber durch sein Versagen im Fall Peng Shuai, hat er Chinas Frauen und Chinas Sportlerinnen einen Bärendienst erwiesen.

Anstatt den sexuellen Missbrauch des Tennisstars nicht totzuschweigen und Konsequenzen zu fordern, anstatt verlässliche Informationen einzuholen, nicht mitzuspielen in Xi Jinpings Alb-Traum von der „Roten Kammer“ seines Genossen Zhang Gaoli hat er sich entschlossen, in der KP-Propagandamaschinerie Kumpane zu sein.

Statue von Thomas Bach in Peking. Japan News. Screenshot.

Auch Hehler der gestohlenen Wahrheit sind Mittäter.

Ein Verein, bei dem das Wohl von Frauen hinter der Gesichtswahrung von KP-Politikern zurückzustehen hat, darf nicht Spiele für die Jugend der Welt ausrichten. Auch dann nicht, wenn es sich „Internationales Olympischen Komitee“ nennt.

Und deshalb hat sich IOC-Präsident Thomas Bach mitschuldig gemacht. Ein Rücktritt wäre das mindeste und eine Entschuldigung an Frau Peng längst fällig.

Zuerst erschienenen als: Die Asien-Presseschau vom 7. Februar 2022.

PS: Nachdem dieser Artikel bereits erschienen war, widmete sich die US-Webseite China Uncensored noch einmal der Causa Peng Shuai. Spannend wird es ab Minute 7.15. Denn bei der angeblich so ungehinderten Aussage, sind in einem Spiegel in der Wohnung der Tennisspielerin zwei staatliche Aufpasser auszumachen, die überwachen, dass Peng auch das Richtige sagt.

China Uncensored. Feb. 2022. Screenshot.

Über den Autor

Jürgen Kremb
... ist ein deutscher Autor, Journalist und Auslandskorrespondent, der vorwiegend zu Asien, Menschenrechten und den Sicherheitsdiensten publiziert. Er studierte und lehrte Ostasienwissenschaften (Japanologie, Sinologie, Tibetologie), Volkswirtschaft und Journalismus an der FU Berlin sowie an der Pädagogischen Hochschule in Taipei/ Taiwan. Als Autor schrieb er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Dazu berichtete er für dpa, den Hörfunk und leitete mehr als zwei Jahrzehnte die SPIEGEL-Redaktionsvertretungen in Beijing, Singapur und Wien. Heute lebt Jürgen Kremb als Berater und Startup-Unternehmer in Wien und meist Singapur, von wo er sich gelegentlich auch für die NZZ und das Handelsblatt meldet.

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