Asien meint, nur Geld der reichen Nationen könne das Klima noch retten. Aber wer garantiert, dass die Mittel nicht in den Händen von regierenden Kleptomanen enden? (Die Asien-Presseschau vom 1. November 2021)

HKFP. 1. November 2021. Screenshot.HKFP. 1. November 2021. Screenshot.

Als der G-20-Gipfel am Sonntag zu Ende ging, war das keine gute Nachricht für das Weltklima. Denn die Führer der Staaten, die für 80 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich sind, machten sich mit leeren Händen auf den Weg zum Klima-Summit nach Glasgow.

Wird es den dort anwesenden Staatenlenkern, Klimaexperten und NGOs gelingen, konkrete Maßnahmen zur Begrenzung des Anstiegs der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu treffen?

Viel wird von asiatischen Regierungen abhängen. Denn auf dem bevölkerungsreichsten Kontinent lebt nicht nur die Hälfte der Menschheit. Auch die meisten Millionenstädte Asiens, häufig an Küsten gelegen, werden zu den ersten Opfern eines klimabedingten Anstiegs der Weltmeere zählen. Und mit China, Indien und Indonesien entstammen auch gleich drei der Top-5 Emittenten aus dieser Weltgegend.

Was haben asiatische Regierungschef an Positionspapieren im Koffer und was denken die Medien dort über den vorerst letzten Versuch das Weltklima zu retten? Hier eine kurze Zusammenstellung:

„Wenige Tage vor dem COP26-Gipfel der Vereinten Nationen in Glasgow hat China einen neuen Plan zur Emissionsreduzierung vorgelegt, der keine substanziellen neuen Verpflichtungen zur drastischen Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes in naher Zukunft seitens des weltweit größten Umweltverschmutzers enthält,“ fasst „Hong Kong Free Press“ (HKFP), das letzte von Peking unzensierte Nachrichtenportal der chinesischen Sonderverwaltungszone die Position des „Mutterlandes“ zusammen.

Pekings offizielle Position ist, so die jüngste Eingabe an die UNO, bis 2060 Kohlenstoffneutralität zu erreichen und die Emissionsintensität, also die Emissionen pro Einheit der Wirtschaftsleistung, um mehr als 65 Prozent zu senken.

China verspricht zudem, den Höhepunkt der Emissionen „vor“ 2030 zu erreichen, hat es aber versäumt, den Umfang des Höhepunkts zu spezifizieren oder eine absolute Obergrenze festzulegen. Das bedeutet, dass es die Emissionen bis dahin im Wesentlichen weiter erhöhen kann.

Eine Enttäuschung jedoch für alle, die hoffen, China könne eine globale Vorreiterrolle bei grüner Energie übernehmen. Denn bis 2030 soll der Anteil nicht-fossiler Brennstoffe am Primärenergieverbrauch im Land der Mitte nur „rund 25 Prozent“ betragen. Im Klartext bedeutet dies, nach HKFP: „Die neuen Verpflichtungen Chinas sind gegenüber früheren Versprechen praktisch unverändert.“

Schon jetzt ist das Land für den Ausstoß von mehr als einem Viertel der weltweiten Treibhausgase verantwortlich, die für die globale Erwärmung verantwortlich sind. Umweltschützer sagen deshalb, dass Chinas neue Pläne nicht ausreichen, um den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, wie es im Pariser Abkommen vorgesehen ist.

Einziger Wermutstropfen: Peking hat sich verpflichtet, die Finanzierung von Kohleprojekten im Ausland einzustellen, und wird die Kohleproduktion im Inland ab 2026 reduzieren.

Aber offenbar hat das Weltklima immer noch nicht erste Priorität bei Pekings oberstem Steuermann. Während mehr als 120 Regierungschefs nach Glasgow reisen werden, hat Präsident Xi Jinping China während der Pandemie nicht verlassen und wird in Glasgow nur per Video-Schalte erscheinen. Wieso das so ist, haben wir am Freitag hier erklärt:

The Daily Star. 1. November 2021. Screenshot.

Indiens Position ist der chinesischen gar nicht so unähnlich: „Ein zunehmend besorgniserregendes Thema, das auf der heute in Glasgow beginnenden Klimakonferenz angesprochen werden muss,“ fasst der „Statesman“ in Neu-Delhi die Stimmung des indischen Subkontinents zusammen, „ist, der wachsende Unmut im Globalen Süden darüber, dass die Auszahlung von Geldern im Rahmen der Vereinbarung zur Klimafinanzierung nicht gerecht war und weit hinter den Erwartungen und Verpflichtungen zurückblieb.“

Denn auf der Welt-Klimakonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009 wurde die Einrichtung eines jährlichen Fonds in Höhe von 100 Milliarden Dollar beschlossen, der von den Industrieländern eingerichtet werden sollte. „Aber was wurde angesichts dieser Verpflichtung bisher tatsächlich erreicht?“ fragt das Blatt und gibt sich gleich selbst die Antwort: „Wir sind noch nicht am Ziel“. Denn gegenwärtig belaufen sich die jährlichen Zuflüsse der reichen Länder auf etwa 80 Milliarden US-Dollar.

Auch Bangladesch, mittlerweile ein Land mit der doppelten Bevölkerungszahl der Bundesrepublik Deutschland, nämlich knapp 170 Millionen, verteilt auf weniger als die Hälfte der Fläche die uns zur Verfügung steht, stößt ins gleich Horn wie Indien:

„Bangladesch kann seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um bis zu 21,85 Prozent nur reduzieren, wenn das Land 175,9 Milliarden Dollar zur Verfügung stellt, um das Ziel einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu erreichen und eine Klimakatastrophe abzuwenden,“ schreibt The Daily Star in Dhaka.

Und weiter: „Wenn alles so weiterläuft wie bisher, wird Bangladesch im Jahr 2030 etwa 409,4 Millionen Tonnen (MtCO2e) ausstoßen. Mit internen Nachahmungsmaßnahmen und externer Hilfe könne dieser Wert jedoch auf 319,94 Millionen Tonnen gesenkt werden, heißt es in den aktualisierten Nationalen Klimaschutzzielen (NDC).“

Düsteres Fazit des Artikels: ohne Geld aus den reicheren Ländern wird sich in Bangladesch wenig tun, damit die Klimaziele erreicht werden können.

Auch Pakistans Journalisten sehen mehr oder minder schwarz, schreibt die Tageszeitung „Dawn“ aus Karachi, rabenschwarz sogar: „Die Regierung hat sich zwar verpflichtet, die Kohlenstoffemissionen deutlich zu reduzieren, doch ihre derzeitige Politik lässt das Gegenteil vermuten. Das Gleiche gilt für andere Sektoren wie das Bauwesen, die Landwirtschaft sowie die Wasserversorgung und -verteilung, in denen die Regierung offenbar immer noch veraltete Methoden anwendet, was die Anfälligkeit des Landes für den Klimawandel verschlimmert und die Entwicklungsmöglichkeiten einschränkt. Die Behörden müssen mehr tun als nur Lippenbekenntnisse zum Ziel der Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels abzugeben.“

Der Leitartikler des Blattes, das übrigens schon in britischen Kolonialtagen in Neu-Delhi gegründet wurde, kommt zu dem Schluss: „Das Überleben des Landes hängt von aufrichtigen Maßnahmen in dieser Richtung ab.“

Etwas positiver sieht es laut The Star in Malaysia aus. Das Blatt titelt heute: „Die Finanzierung durch die Weltbank wird Penang helfen, seine grünen Entwicklungsziele zu erreichen.“ Im Text wird ausgeführt, dass die Hafenstadt an der Westküste des Landes zehn Millionen US-Dollar von der Weltbank für Projekte zur Bekämpfung des Klimawandels erhalten habe.

Asia Sentinel. 1. November 2021. Screenshot.

Man muss aber kein Zyniker sein, um sich gerade in Malaysia zu fragen, in dem Land, wo Premier-Minister Najib Razak während seiner Amszeit mehr als eine Milliarde US-Dollar an staatlichen Mitteln auf private Konten umgelenkt hat, ob das Geld jemals dem Klimaschutz zu Gute kommt.

Asia Sentinel hat diese Frage nämlich in der heutigen Ausgabe gestellt und negativ beantwortet. Auf der Webseite schreibt Frank Vogl, der Mitbegründer von Transparency International:

„Es ist heute eine Tatsache, dass fast alle autoritären Regime von Kleptokraten geführt werden, die ihre Bürger bestehlen und gleichzeitig deren Menschenrechte rücksichtslos verletzen. Die Verbrechen, die von den Regierungen von Myanmar, Malaysia, Iran, Ägypten, Nigeria und vielen anderen Ländern begangen werden, lassen nicht nur ihre eigenen Bürger verarmen. Sie verarmen letztlich uns alle.“

Und weiter: „Autoritäre Regime stehlen öffentliche Gelder zum Teil, um ihre Macht im eigenen Land zu festigen, indem sie ihren Anhängern besondere Vorteile gewähren. Gleichzeitig sind kleptokratische Führer fast alle nicht nur paranoid und narzisstisch, sondern auch außerordentlich gierig. Sie haben einen unstillbaren Appetit auf immer mehr Reichtum, und da sie befürchten, dass dieser enteignet werden könnte, wenn sie jemals aus dem öffentlichen Amt ausscheiden, unternehmen sie große Anstrengungen, um ihre Beute in sichere Anlagen an den führenden Kapitalmärkten der Welt zu bringen.“

Geld allein wird das Weltklima somit nicht retten. Es muss auch in die richtigen Hände kommen.

Mehr Links dazu anbei aus den englischsprachigen Tageszeitungen in Süd-, Südost- und Ostasien sowie anderen Weltregionen.*

Global Times. 1. November 2021. Screenshot.

Geopolitics + South China Sea + Diplomacy:

China warns US on Taiwan question in Rome amid tensions. Subversive damage to ties includes a war between – Global Times/ China

‚US will help Taiwan defend itself‘ – US official – The Straits Times/ TV

Macron accuses Australia PM Morrison of lying to him over submarine spat – The Straits Times

China + Taiwan + Hong Kong:

Explainer: Hong Kong’s national security crackdown – month 16. Amnesty pulls out of Hong Kong, marathon runners made to hide political attire, another student union folds, and lawmakers pass a film censorship, anti-doxxing and updated flag law – HKFP rounds up month 16 of the security law. – Hong Kong Free Press

EU-Taiwan. Minister discusses China threat with EU lawmakers – Taipei Times

Chan: HK to expect economic growth of around 6.5% in 2021 – China Daily 

Economy China. Nation to advance new development paradigmChina Daily

Domestic Politics:

Politics Japan. Ruling coalition to maintain majorityThe Japan News

Protests Thailand. Thousands protest for monarchy reform, as Thailand readies for more tourists – The Straits Times

The Irrawaddy. 29. Oktober 2021. Screenshot.

Myanmar Crisis:

ASEAN and the Myanmar Quagmire: China’s Next Move – The Irrawaddy

Myanmar Crisis. Former US ambassador Bill Richardson heads to MyanmarThe China Post

Grudges and Military Oppression: Key Themes in Modern Myanmar’s Legal HistoryThe Irrawaddy

Covid-19 + Vaccine + Science:

Lockdown Laos. Laos further extends lockdown as COVID-19 cases keep rising – Vientiane Times

The Korean Herald. 1. November 2021. Screenshot.

Business + Economy:

Energy Vietnam. Việt Nam to unlock mechanisms to attract private power investors – Vietnam News

Jobs South Korea. Pay gap between occupations widens amid pandemic – The Korea Herald

Aviation Singapore. SIA signs MOU with United Airlines in move that could lead to more arrivals at Changi – The Straits Times

Banking + Money:

The Rise of the Kleptocrat. Transparency International’s co-founder issues a call to stiffen laws – Asia Sentinel

Media + Tech:

Indonesia joins search for digital talents in Asia-Pacific – Jakarta Post

Climate + Environment + Glasgow Climate Summit:

Promises, power plants and politics: China’s position ahead of COP26. Beijing’s new submission to the UN confirmed its goal to achieve carbon neutrality before 2060 and slash emissions intensity — or emissions per unit of economic output — by more than 65 percent. – Hong Kong Free Press

Xi calls for concrete actions on climate change. Developed countries urged to honor green pledges, take lead in promulgating technology – Global Times/ China

Global Times/China. 1. November 2021. Screenshot.

Bangladesh. Cutting CO2 Emission by a Fifth: Bangladesh needs $176b by 2030 – The Daily Star

Brunei second least at climate risk in ASEAN – Borneo Bulletin

India. Industrial, and institutional houses to install renewable sources of energy: Power Ministry – The Statesman

Malaysia. World Bank funding will help Penang reach its green development goals – The Star

Pakistan. Editorial: Development and climate – Dawn

Funding. Opinion: End unfair climate fundingThe Statesman

CEOs Opinion: Beyond COP26: Four steps CEOs should take nowJakarta Post

Culture + Life Style + Travel:

Himalaya. Three French climbers reported missing in Everest region – The Kathmandu Post

Crime + Law + Espionage:

Crime Philippines. Media groups condemn radioman’s slay – Inquirer 

Man in Joker costume with knife injures 17 people on Tokyo train; starts fire – Japan Today

Japan Today. 31. Oktober 2021. Screenshot.

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Über den Autor

Jürgen Kremb
... ist ein deutscher Autor, Journalist und Auslandskorrespondent, der vorwiegend zu Asien, Menschenrechten und den Sicherheitsdiensten publiziert. Er studierte und lehrte Ostasienwissenschaften (Japanologie, Sinologie, Tibetologie), Volkswirtschaft und Journalismus an der FU Berlin sowie an der Pädagogischen Hochschule in Taipei/ Taiwan. Als Autor schrieb er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Dazu berichtete er für dpa, den Hörfunk und leitete mehr als zwei Jahrzehnte die SPIEGEL-Redaktionsvertretungen in Beijing, Singapur und Wien. Heute lebt Jürgen Kremb als Berater und Startup-Unternehmer in Wien und meist Singapur, von wo er sich gelegentlich auch für die NZZ und das Handelsblatt meldet.

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