Warum Chinas Wolfskrieger ausgerechnet in der Ukraine-Krise versagen. Und warum Myanmars Generäle und Indiens Premier Modi nicht von Putin abrücken können.

The Statesman. 2. März 2022. Screenshot.The Statesman. 2. März 2022. Screenshot.

Die Asien-Presseschau vom 2. März 2022 – Nachdem Asien angesichts des völkerrechtswidrigen Einmarsches von Wladimir Putins Truppen in der Ukraine zunächst in Schockstarre versunken war, ringen die Politiker und Journalisten dort nun um eine Einschätzung der Ereignisse.

„Russlands Krieg gegen die Ukraine deutet darauf hin, dass Chinas neue autoritäre Welt durch eine Rückkehr zur Machtpolitik des 19. und zum Blitzkrieg des 20. Jahrhunderts gekennzeichnet sein könnte,“ schreibt der Rikscha-Reporter Gastautor Paul G. Harris bei dem Internetportal Hong Kong Free Press (HKFP). „Wir müssen uns nicht ausmalen, wie diese neue Welt aussehen wird; wir können es in den Blutlachen sehen, die sich in der Ukraine ausbreiten.“

Harris meint: „Chinas Heuchelei spricht Bände über seine Bereitschaft, jahrzehntelang das eine zu sagen und das andere zu tun, wenn es vor der Wahl steht, einen ungerechten Krieg zu verurteilen oder einen autokratischen Verbündeten zu verteidigen.“

Quartz Afrika. Screenshot aus de, Blockbuster Wolfskrieger II.
Quartz Afrika. Screenshot aus dem Blockbuster Wolfskrieger II.

Ein Zwischenfall illustriert zudem, wie viel Chinas großmäulige Wolfskrieger-Diplomatie wirklich wert ist, wenn es nicht mehr nur um große Worte in Propagandafilmen und pampige Verlautbarungen des chinesischen Außenministeriums geht.

Denn nachdem ein chinesischer Blogger geschrieben hatte, „die russischen Freunde mögen ein paar hübsche Frauen in der Ukraine übriglassen, damit diese Chinesen heiraten könnten,“ mussten sich Bürger der Volksrepublik China nicht nur als Japaner ausgeben, um noch in Kiews Luftschutzkeller gelassen zu werden. Der Botschafter Pekings in der umkämpften Stadt riet seinen Landesleuten gar, chinesische Wimpfel von ihren Autos zu nehmen, weil er Übergriffe von entrüsteten Ukrainern fürchtete.

Während EU-Bürger von ihren Botschaften beraten und beschützt wurden, musste Chinas Emissär seinen Mitbürgern kleinlaut raten, sie sollten sich erst einmal ruhig verhalten, keinen Streit suchen und zuhause einschließen. Erst in den nächsten Tagen scheint es nun zu gelingen, Chinesen in einem größeren Konvoi außer Landes zu bringen.

Im Abspann zu dem Propaganda-Blockbuster „Wolf Warrior I“ hatte es 2015 vor dem Hintergrund eines chinesischen Reisepasses noch geheißen: „Jeder Chinese soll wissen, dass seine Regierung ihn bei Krisen überall auf der Welt sicher nach Hause bringt.“ Von Zeitverzögerung und Vortäuschung ausgerechnet der Staatsbürgerschaft des in China verhassten Japans, war in dem Film keine Rede gewesen.

Global Times. 1. März. Screenshot

Auf Unverständnis in Europa stößt auch der Umstand, dass ausgerechnet Indien als größte Demokratie der Welt, sich im UN-Sicherheitsrat nicht für eine Verurteilung Russlands wegen des Überfalls auf die Ukraine ausgesprochen hatte.

Die in Neu-Delhi erscheinende Tageszeitung The Statesman schreibt dazu: „Da indische Medizinstudenten in der Ukraine ins Kreuzfeuer geraten sind, hat die Regierung ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die Inder sicher nach Hause zurückkehren können. Indiens Appelle zum Frieden und zur Wiederaufnahme des diplomatischen Dialogs über offene Fragen im Zusammenhang mit der Ukraine können von der Weltgemeinschaft nicht ignoriert werden.“

Allgemein ist Premier Narendra Modi ja nicht gerade dafür bekannt, dass er das Leben seiner Mitbürger besonders wertschätzt. Der Grund der Zurückhaltung ist eher in dem Umstand zu suchen, dass Indien noch auf russische Waffenlieferungen angewiesen ist, um dem Erzfeind Pakistan Paroli bieten zu können.

Gleichzeitig warnt der Statesman aber in einem Kommentar, dass Putins Einmarschbefehl die Welt in den Abgrund ziehen könnte: „Seine Rede erinnerte an Hitlers ‚Anschluss an Österreich‘ vom März 1938, bei dem Österreich aufgrund seiner deutschsprachigen Bevölkerung an Nazi-Deutschland angegliedert wurde.“

Die Gemeinschaft südostasiatischer Staaten ASEAN bezog da klarer Stellung: „Wir rufen alle betroffenen Parteien dazu auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben … die Spannungen zu deeskalieren und eine friedliche Lösung im Einklang mit den internationalen Gesetzen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen … zu finden“, heißt es einer gemeinsamen Erklärung, die von allen zehn Regierungen der ASEAN-Mitgliedsstaaten unterschrieben wurde.

Inquirer. 2. März 2022. Screenshot.

Erstaunlich, dass zu den Unterzeichnern auch die Militärjunta in Myanmar gehörte. Denn die Generäle in der Hauptstadt Naypyitaw sind seit ihrem blutigen Putsch vom ersten Februar letzten Jahres wie Russland auch, von umfassenden Sanktionen betroffen. Waffen liefern dem isolierten Land derzeit nur noch Serbien und Freund Putin in Moskau.

So wundert es auch nicht, dass der Junta-Sprecher Zaw Min Tun die zunächst unterzeichnete ASEAN-Erklärung bald darauf konterkarierte. „Das russische Militär habe getan, was für die Aufrechterhaltung der Souveränität seines Landes gerechtfertigt war,“ ließ er verlauten, „und seinen Status als mächtiges Land für das Gleichgewicht des Weltfriedens unter Beweis gestellt.“

Nach Angaben des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts war Russland zwischen 1998 und 2018 der wichtigste Waffenlieferant für alle südostasiatischen Länder. Im November wird Wladimir Putin eigentlich zum Gipfel der ASEAN-Staaten in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh erwartet.

Gastgeber Hun Sen, der in dem südostasiatischen Land selbst schon seit 1985 ununterbrochen als Ministerpräsident die Fäden zieht, hat sich bisher noch nicht geäußert, ob Wladimir Putin weiterhin in seinem Land willkommen ist.

Anbei die Links dazu aus den englischsprachigen Tageszeitungen in Süd-, Südost- und Ostasien sowie anderen Weltregionen.*

Geopolitics + South China Sea – Asia on Ukraine Invasion:

Benar News. 1. März. 2022. Screenshot

China. FM urges Russia, Ukraine to find negotiated solutionChina Daily

Japanese prime minister strongly condemns Russia over invasion of Ukraine – The Japan News

Foreign envoys urge Pakistan to condemn Russian invasion of Ukraine during emergency UNGA session – Dawn

Philippines. Lacson: Be ready for scenarios from Russia-Ukraine crisisInquirer

Opinion: Why India is right not to take sides on Ukraine – The Statesman

Editorial: Taking a stand on UkraineInquirer 

Indian student killed in shelling in Ukraine – The Statesman

New Report Reveals Extent of Chinese Surveys in South China SeaBenar News

China + Hongkong + Taiwan:

Focus Taiwan. 2. März 2022. Screenshot.

Taiwan. US delegation arrives for peace and security talks. ROCK-SOLID COMMITMENT: A senior official in the Biden administration said that the two-day visit is intended to ‘demonstrate our continued robust support for Taiwan’ – Taipei Times

China launches one of the largest Chinese citizens evacuations in Ukraine – Global Times

DPP kowtows to welcome Washington’s ‚bigwigs‘: Global Times editorial – Global Times

Visiting U.S. delegation reiterates firm commitment to Taiwan – Focus Taiwan

Russia-Ukraine war gives a glimpse of China’s new world order, and of Beijing’s faltering reputation – Hong Kong Free Press

Domestic Politics:

Japan on alert amid provocations by China, N. Korea, Russia – The Japan News

India. Opinion. Towards a new era of imperialism?The Statesman

Japan. Kishida says sanctions to be imposed on Belarus Japan Today

Calls grow to enhance Japan’s defense capabilitiesThe Japan News

Myanmar Crisis:

The Irrawaddy. 2. März.

At Least 17 Feared Dead in Myanmar Jade Mine LandslideThe Irrawaddy

Covid-19 + Vaccine + Science:

Explainer: Understanding the Hong Kong gov’t’s Covid-19 data, and the big jump in daily cases – Hong Kong Free Press

Business + Economy:

Transport Vietnam. Five major transport projects to be completed by 2026: PM –  Vietnam News

Asia Tims. 2. März. 2022. Screenshot.

Banking + Money + Crypto:

Gold will soar as China seeks US dollar alternatives. ‘Nuclear’ sanctions on Russia threaten long-term dollar dominance as China has more geopolitical incentive to ditch the greenback – Asia Times

Media + Tech:

Metaverse S Korea. Samsung CEO hints at XR comeback for metaverse trend – The Korea Herald

Climate + Environment:

The Phnom Penh Post. 1. März 2022. Screenshot.

Mekong. Low water flows in Mekong ‘behind lack of clean water’ – The Phnom Penh Post

Culture + Life Style + Travel:

Thailand opens doors to Indian tourists in special bubble scheme – The Nation

Crime + Law + Espionage:

Hong Kong Bar Assoc. ex-chief Paul Harris reportedly leaves city hours after meeting with national security police – Hong Kong Free Press

Hong Kong Free Press. 2. März 2022. Screenshot.

Singapore. Double life, two wives: Duke-NUS researcher spied on US for Russia – The Straits Times

China widens abuse crackdown as new ‚caged woman‘ case emerges – The Straits Times

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Über den Autor

Jürgen Kremb
... ist ein deutscher Autor, Journalist und Auslandskorrespondent, der vorwiegend zu Asien, Menschenrechten und den Sicherheitsdiensten publiziert. Er studierte und lehrte Ostasienwissenschaften (Japanologie, Sinologie, Tibetologie), Volkswirtschaft und Journalismus an der FU Berlin sowie an der Pädagogischen Hochschule in Taipei/ Taiwan. Als Autor schrieb er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Dazu berichtete er für dpa, den Hörfunk und leitete mehr als zwei Jahrzehnte die SPIEGEL-Redaktionsvertretungen in Beijing, Singapur und Wien. Heute lebt Jürgen Kremb als Berater und Startup-Unternehmer in Wien und meist Singapur, von wo er sich gelegentlich auch für die NZZ und das Handelsblatt meldet.

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