Den meisten Asienbeobachtern mögen die jüngsten Raketentests von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un nur ein gelangweiltes Gähnen abverlangt haben. „Nicht schon wieder“, die häufigste Reaktion aus Thinktanks und Redaktionsstuben. Aber das könnte eine gefährliche Fehleinschätzung sein.
Denn mit den Tests hat der „Rocket Man“, so Donald Trump einst über seinen kommunistischen „Freund“, dass er über äußerst gefährliche, weil lenkfähige Überschallraketen verfügt, die nicht nur die Abwehrsysteme von Japan bis in die USA überlisten können. Auch US-Flugzeugträger in den Gewässern Ostasien wären damit vom nordkoreanischen Militär versenkbar.
Die gute Nachricht freilich ist, noch handelt es sich bei den Raketen, die abgefeuert am 5. und 11. Januar im Landesinneren Nordkoreas, nur um Mittelstreckenraketen. Denn sie schlugen im Japanischen Meer ein, dem Gewässer zwischen der koreanischen Festland und den japanischen Inseln. Die schlechte Nachricht allerdings ist, Kim legte in einem Pressestatement großen Wert darauf, dass die Flugkörper noch bis vor dem Einschlagen lenkfähig gewesen seien.
Während Südkoreas Generalstab vor einer Woche noch skeptisch war, hat das südkoreanische Militär nun in Seoul bestätigt, dass Nordkorea jetzt wohl über einsatzfähige Hyperschallraketen verfügt.
Eine Hyperschallrakete ist eine Ultrahochgeschwindigkeitsrakete, entweder eine ballistische Rakete oder ein Marschflugkörper, die sich mit mehr als der fünffachen Schallgeschwindigkeit (Mach 5) in weniger als 90 Kilometern Höhe fortbewegt. Hyperschallgeschwindigkeiten machen alle Raketenabwehrsysteme der aktuellen Generation zunichte. Und der jüngste Test Nordkoreas übertraf Mach 5 bei weitem.
Experten in Seoul sind sich weitgehend einig, dass Nordkoreas Nuklear- und Raketenprogramme bisher vor allem als Abschreckung gegenüber den USA dienten.
Nun stellen Experten aber eine neue und alarmierende Verschiebung fest, die das strategische Kräfteverhältnis weg von der südkoreanisch-amerikanischen Allianz hin zu Nordkorea verändern könnte. Weder mobile US-Einheiten wie Flugzeugträger, noch US-Stützpunkte in Südkorea können sich zuverlässig gegen Hyperschallraketen aus dem Norden verteidigen.
Dies birgt weitere Risiken für die Region. Da es derzeit keine Gegenmaßnahmen gegen Hyperschallraketen gibt – Verteidigungssysteme wie Laser und elektromagnetische Waffen sind noch nicht ausgereift oder im Einsatz, könnten die Staaten gezwungen sein, auf Präventivmaßnahmen zurückzugreifen.
Im Klartext heißt das, Nordkoreas Nachbarn in Tokio und Seoul müssen mit Hochdruck nachrüsten, um gegen die Gefahr aus Pjöngjang gewappnet zu sein. Das schließt auch eine Doktrin des Erstschlags gegen einen irgendwann einmal außer Kontrolle geratenen Rocket Man Kim nicht mehr aus.
(Aus: Die Asien-Presseschau vom 12. Januar 2022)
Kommentar hinterlassen zu "Nordkoreas Hyperschall-Raketen befeuern eine neue Rüstungsspirale in Ostasien."