Das Fort Knox des Digitalzeitalters

TSCM, Fort Knox der Computerbranche. Yahoo-Finance, Screenshot 16. April 2021.TSCM, Fort Knox der Computerbranche. Yahoo-Finance, Screenshot 16. April 2021.

Dass Daten der Stahl, Beton und das Gold gar des aufkommenden digitalen Zeitalters sein werden, ist keine ganz neue Erkenntnis mehr. Wo aber das Fort Knox der Zukunft liegen wird, scheint noch nicht ganz geklärt. Das eher unscheinbare Städtchen Hsinchu, im Norden Taiwans gelegen, scheint derzeit aber den unangefochtenen Spitzenplatz einzunehmen.

Denn dort residiert die Produktionszentrale des taiwanischen Designer-Chipproduzenten Taiwan Semiconductor Manufacturing Co Ltd, kurz TSMC. Gegründet 1987, übernimmt das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von gut 50 Milliarden US-Dollar (2020) und mehr als 51.000 Mitarbeitern weltweit, die Auftragschipproduktion aller führenden Elektronikhersteller. Weltmarktanteil von beeindruckenden 58 Prozent.

Als Mana, Champus und Kokain der Computerbranche zugleich, geht ohne die Taiwaner in der Branche gar nichts mehr. Und da TSMC weltweit auch die Einzigen sind, denen eine serienmäßige Produktion von Halbleiterelemente mit der 5-nm-Technik gelungen ist, werden sie dort in Hsinchu auf lange Zeit die Zukunft des digitalen Zeitalters vorgeben. Sie sind damit nicht nur Goldstandard, sie “schmelzen” die Barren auch gleich noch selbst.

Unlängst hat das Unternehmen mitgeteilt, dass es sagenhafte 100 Milliarden US$ in den weiteren Ausbau der Technologie stecken wird. Das ist mehr als Google, Apple und Intel zusammen investiert.

In seiner Quartals-Pressekonferenz am gestrigen Donnerstag hat TSMC mitgeteilt, dass die Gewinne in den ersten drei Monaten des Jahres um 19,7 Prozent gestiegen sind. Der Umsatz in dem Zeitraum hat mit knapp 13 Milliarden US$ einen weiteren Rekord erzielt. Die Einstellung von Tausenden neuen Mitarbeitern läuft auf Hochtouren. Das freut die Anteilseigner. Die Aktie gehört nämlich zu den ganz Wenigen weltweit, die im Jahresvergleich nie in den roten Bereich gerutscht ist.

Der Engpass bei der Chipproduktion und damit auch die Auswirkungen auf Deutschlands Autoindustrie, werde allerdings noch bis zum Jahre 2022 anhalten, verkündete das Unternehmen bei der Quartalskonferenz. Da die weltweite Elektronikindustrie ohne TSMC stocken, wahrscheinlich sogar zusammenbrechen würde, können die Taiwaner die Preise nach ihrem Gutdünken diktieren. Wenn TSMC nicht liefert, rollen letztlich in Wolfsburg, Stuttgart und München keine Autos mehr vom Band

Das weiß auch der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier und deshalb musste er unlängst, angesichts der Ein-Chinapolitik wohl auch zähneknirschend, einen Bettelbrief an Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen schreiben – Chefin einer Regierung von knapp 24 Millionen Bürgern, gleichwohl demokratisch, die Deutschland wegen Pekings Allmachtfantasien gar nicht anerkennt. Taiwan solle doch bitte Deutschland bei der Belieferung der für unseren Wohlstand ach so wichtigen Miniteilchen nicht vergessen, bat Altmaier.

Damit steht er nicht allein. Südkoreas Präsident Moon Jae-in hatte ebenfalls gestern die Spitzen seiner inländischen Halbleiterindustrie ins „Blaue Haus“, seinen Amtssitz zitiert, um die Parole auszugeben: von TSMC lernen. Am erfolgreichsten in dem Reigen um die Zukunft „Made in Taiwan“ war freilich Joe Biden, denn der taiwanische Konzern hat zugesichert, in den USA demnächst ein Werk für Hoch-Präzisionschips zu errichten.

Wenn es derzeit eine Art wirtschaftliche Lebensversicherung für Taiwan gibt, das Peking ja bekanntermaßen in den nächsten Jahren mit militärischer Gewalt der Volksrepublik China anschließen will, dann ist es auch und ganz besonders TSMC. Denn kein Politiker in Berlin, Tokio oder Washington hat den geringsten Zweifel, sollte Peking einmal die Kontrolle über Taiwan haben, es als erstes die VWs, Apples und Toyotas dieser Welt von der Lieferung aus Hsinchu ausschließen würde.

Morgenthaus Fantasien wäre gegen den Abschottungskrieg, der dann aus Peking drohe, wahrhaft kein Deckchensticken mehr, wie Mao Zedong, der Lehrmeister von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, das gerne umschrieben hat.

(Aus: Die Asien-Presseschau – 16. April 2021)

Über den Autor

Jürgen Kremb
... ist ein deutscher Autor, Journalist und Auslandskorrespondent, der vorwiegend zu Asien, Menschenrechten und den Sicherheitsdiensten publiziert. Er studierte und lehrte Ostasienwissenschaften (Japanologie, Sinologie, Tibetologie), Volkswirtschaft und Journalismus an der FU Berlin sowie an der Pädagogischen Hochschule in Taipei/ Taiwan. Als Autor schrieb er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Raum. Dazu berichtete er für dpa, den Hörfunk und leitete mehr als zwei Jahrzehnte die SPIEGEL-Redaktionsvertretungen in Beijing, Singapur und Wien. Heute lebt Jürgen Kremb als Berater und Startup-Unternehmer in Wien und meist Singapur, von wo er sich gelegentlich auch für die NZZ und das Handelsblatt meldet.

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