Australien, Großbritannien und die USA schlossen sich zu einer neuen militärischen Allianz zusammen, die vor allem auf den pazifischen Raum ausstrahlen soll. Was ist die Absicht dahinter und was sagen asiatische Regierungen dazu? Die Autorin der Rikscha-Reporter-Analyse ist mit der Region bestens vertraut. Denn Anne-Marie Schleich war Generalkonsulin in Australien und später deutsche Botschafterin in Neuseeland, mit Zuständigkeit für sieben weitere Pazifiknationen.
AUKUS signalisiert eine Verschiebung des strategischen Machtgleichgewichts in Asien. Der trilaterale Pakt wird den militärischen Informations- und Technologieaustausch zwischen den drei Ländern intensivieren.
Die erste AUKUS Aktion war ein Vertrag Australiens mit den USA und Großbritannien über den Erwerb von acht Atom-U-Booten mit US-Abwehrraketen. Gleichzeitig stornierte Australien den 66-Milliarden-Dollar-Vertrag mit Frankreich über zwölf konventionell angetriebene U-Boote, ein Schritt, der enormen Ärger in Frankreich verursachte.
Bei der Aufregung über das gekappte U-Boot Geschäft ging die Tatsache der künftig massiv verstärkten Verteidigungsbeziehungen etwas unter. Das Kommunique der US-Australien Verteidigungskonsultationen vom 16. September erwähnt den „Aufbau eines kombinierten Logistik-, Erhaltungs- und Instandhaltungsunternehmens zur Unterstützung hochwertiger („highend“) Kriegsführung und Militäroperationen in der Region“.
Dies könnte durchaus auch auf eine künftige Stationierung atomarer US-Gefechtswaffen in Australien hindeuten.
Allianz für freien und offenen Indo-Pazifik
Die Biden Regierung (wie auch die Vorgängerregierung) hat China als die größte strategische und militärische Bedrohung identifiziert, eine Herausforderung, die sie mit größter Dringlichkeit auf allen Ebenen angeht. Australien ist der geeignete Partner für die USA, mit dem sie sich für einen freien und offenen Indo-Pazifik einsetzen kann.
Die USA setzen zudem auf eine Reihe von überlappenden Allianzen gleichgesinnter Demokratien.
AUKUS ergänzt zwei andere Partnerschaftsvereinbarungen: die wiederbelebte Quad-Kooperation zwischen Japan, Indien, den USA und Australien sowie das Five-Eyes-Geheimdienstabkommen (USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland). Die Einberufung eines „Gipfels für Demokratie“ durch US-Präsident Biden im Dezember zielt in eine ähnliche Richtung.
Die konservative australische Koalitionsregierung hat mit AUKUS eine pragmatische, aber nicht unerwartete Entscheidung getroffen. Schon der „Defense Strategic Update 2020“ markierte angesichts der „wachsenden geopolitischen Unsicherheiten in der Region“ eine Verlagerung der australischen Verteidigungspolitik von einer historisch defensiven, zu einer abschreckenden Militärstrategie.
Der Bericht unterstrich die Bedeutung des Aufbaus von Verteidigungsbeziehungen zu Partnern. Premierminister Scott Morrison betonte, dass Australien vor seiner „folgenreichsten strategischen Neuausrichtung seit dem Zweiten Weltkrieg“ stehe.
Als Konsequenz wird Australien seine Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des BIP erhöhen. Seit dem ANZUS-Pakt von 1951 gibt es enge Militär- und Sicherheitsbeziehungen mit den USA. 2014 unterzeichneten die beiden Länder ein Stationierungsabkommen, das den Weg für eine verstärkte Rotation von US-Flugzeugen und von US-Marines in Australien ebnete. Diese Rotationen sowie militärische Interoperabilität werden unter AUKUS erhöht werden.
Australien kann sich den Affront gegen China leisten
Weitere Gründe AUKUS beizutreten, waren die Tatsache, dass Australien zunehmend unzufrieden war über explodierende Vertragskosten und die unzureichende Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen durch den französischen U-Boot Partner.
Ausschlaggebend war aber die Erholung der australischen Wirtschaft nach den Strafzöllen und Importverboten, die China im Mai letzten Jahres verhängt hatte. Es war die Antwort auf die Antidumpingzölle auf chinesische Stahl- und Aluminiumprodukte, die die australische Anti-Dumpingkommission im Februar 2020 eingeführt hatte.
Australische Exporteure hatten in den letzten Monaten aber ihre Märkte diversifiziert. Außerdem stiegen die globalen Rohstoffpreise für Öl, Gas und Kohle, trotz Klimawandels wichtige Exportschlager Australiens, massiv auf dem Weltmarkt. Die Morrison-Regierung kam deswegen wohl zur Überzeugung, sich auch wirtschaftspolitisch einen politischen AUKUS-Affront gegenüber China leisten zu können.
Unbehagen über AUKUS ist aber in Australiens nächster Nachbarschaft zu spüren, den zwölf pazifischen Inselstaaten, die mit Australien und Neuseeland Mitglieder des vor 50 Jahren gegründeten Pacific Island Forum (PIF) sind. Es wurden bereits inoffiziell Befürchtungen geäußert, dass Australiens atomgetriebene U-Boote den Vertrag von Rarotonga über eine nuklearfreie Zone im Südpazifik von 1985 verletzen könnten.
Dieser Vertrag, der auch von Australien ratifiziert wurde, war eine direkte Reaktion der pazifischen Staaten auf die jahrzehntelangen Atomtests der USA, Großbritanniens und Frankreichs, die für Pazifikbewohner zum Teil dramatische Folgen hatten.
AUKUS habe das Konfliktrisiko in der Region erhöht
Es scheint seit langem eine Lücke bei der Überwachung von atomar angetriebenen U-Booten durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu geben. IAEA müsste – so der ehemalige australische Außenminister und Abrüstungsexperte Gareth Evans – dringend Überwachungsmechanismen entwickeln. Die Atombehörde scheint besorgt zu sein, dass andere Staaten Australiens Beispiel folgen könnten und hat inzwischen eine AUKUS-Sonderarbeitsgruppe gegründet.
AUKUS habe das Konfliktrisiko in der Region erhöht, so lauten Befürchtungen im Pazifik, wo Erinnerungen an das pazifische Schlachtfeld im Zweiten Weltkrieg noch bitter nachwirken. Die von PIF festgeschriebene Strategie für den Blue Pacific ist eine langfristige Vision, die Schutz und Sicherung der pazifischen Bevölkerung und der Ressourcen der Region zum Ziel hat.
PIF hatte jahrelang auch das Konzept der „Pazifischen Familie” aufgebaut. Und bereits 2019 hatte man die Vorstellung abgelehnt, dass die Region zwischen den USA und China wählen müsse. Eine offensivere australisch-amerikanische Verteidigungsstrategie, untermauert von der Anti-China Zielrichtung von AUKUS, entspreche nicht dem propagierten pazifischen „Familienkonzept”, so die Stimmen in der Region.
Australien hat seine dominante Stellung in seinem „Hinterhof“ verloren
Die USA und Australien sehen den Süd- und Westpazifik als wichtiges strategisches Gebiet zur Sicherung ihrer Seewege. Drei mikronesische Staaten, die Marshall Inseln, Mikronesien und Palau, haben mit den USA einen freien Assoziationspakt, und auf den Marshall Inseln verfügen die USA über eine militärische Landebahn.
Australien hat in den letzten Jahren seine traditionell dominante Stellung in seinem „Hinterhof“ verloren.
China ist inzwischen größter Handelspartner in den meisten pazifischen Inselstaaten, zweitgrößter Entwicklungshilfegeber und größter Investor durch seine Seidenstraßenprojekte. Fidschi, Samoa und Vanuatu sind pazifische Länder mit den meisten chinesischen Infrastrukturprojekten. China hat dadurch auch stark an politischem Einfluss in der Region gewonnen.
In den pazifischen Inselstaaten befürchtet man, dass die neue Allianz die pazifischen Inselstaaten genau an einen der Schnittpunkte der wachsenden USA-China Rivalität platziert und eine potentielle Spaltung innerhalb der Mitgliedsländer des PIF schüren könnte.
Neuseeland, ein etwas distanzierterer Verbündeter der USA.
Es gibt Gründe, warum Neuseelandnicht zu AUKUS eingeladen wurde: seine langjährige Anti-Atompolitik, eine relativ unabhängige Außenpolitik und enge Wirtschaftsbeziehungen mit China.
Bislang war das Nachbarland Australiens engster Sicherheits-, Verteidigungs- und politischer Partner. Beide sind Mitglieder des ANZUS-Vertrags von 1951, der die Grundlage der US-Präsenz im Pazifik bildete. Und seit dem Zweiten Weltkrieg sind sie beide Mitglieder des Fünf-Staaten Geheimdienstnetzwerks „Fives Eyes“.
Beide haben großes Interesse an Stabilität in Ozeanien. Aber Neuseeland war schon länger ein etwas distanzierterer Verbündeter der USA.
1985 führte die damalige Labour-Regierung die Anti-Atomwaffenbewegung im Pazifikraum an. Die Regierung verbot daraufhin US-nuklearbetriebene Kriegsschiffe in den Hoheitsgewässern Neuseelands. Die ANZUS-Allianz mit Neuseeland wurde daraufhin von den USA eingefroren. Präsident Obamas „Pivot to Asia“ brachte Neuseeland 2012 zurück zu ANZUS, und die Verteidigungsbeziehungen zwischen Neuseeland und den USA wurden teilweise wieder aufgenommen.
Nach der Gründung von AUKUS hat Neuseeland jedoch angekündigt, dass australische Schiffe mit Nuklearantrieb künftig nicht in seinen nuklearfreien Hoheitsgewässern zugelassen seien.
Neuseelands Zurückhaltung gegenüber China
Die neuseeländische Regierung hat kürzlich zudem mehrfach Zurückhaltung bei einigen politischen Erklärungen der „Five Eyes“ gegen China gezeigt und ist dadurch eher ein „Five Eyes“ Außenseiter geworden. Premierminister Jarcinda Ardern sagte vor einigen Tagen, dass die Reife der Beziehungen zwischen Neuseeland und China es Neuseeland ermöglicht habe, Menschenrechtsthemen oder Arbeitsfragen direkt mit China anzusprechen.
Sie betonte aber im Hinblick auf China auch, dass „unterschiedliche Auffassungen mit China unsere Beziehung nicht definieren müssen“.
China ist mit Abstand der größte Handelspartner Neuseelands. Neuseeland hatte bereits 2008 das allererste Freihandelsabkommen mit China unterzeichnet. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit von China erschwert es dem Land eine Wahl zwischen den USA und China zu ziehen.
AUKUS wird voraussichtlich die Dynamik der Sicherheitsbeziehungen zwischen Australien und Neuseeland verändern und war sicherlich ein Thema des jüngsten Treffens der beiden Außenminister Mahuta und Payne. Neuseeland hatte aber bereits signalisiert, dass es an einer Beteiligung an Teilbereichen der AUKUS-Kooperation interessiert sei, etwa im Cyber Bereich.
Steht ein pazifisches Wettrüsten bevor?
Die Reaktionen auf AUKUS innerhalb der ASEAN-Staaten waren sehr gespalten. So haben Indonesien, Australiens nächster Nachbar, sowie Malaysia ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht und davor gewarnt, dass der Pakt ein Wettrüsten auslösen, die regionale Stabilität untergraben, geopolitische Risiken erhöhen und nukleare Nichtverbreitungsregime schwächen könnte. Singapur und Vietnam signalisierten indirekte Unterstützung.
Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong sagte dazu Ende Oktober bei einem ASEAN-Australien Treffen: „Singapur begrüßt neue regionale Formierungen, die eine Zentralität von ASEAN unterstützen, die wirtschaftliche Integration vertiefen und eine stabile, sichere asiatisch-pazifische Region sowie eine regelbasierte Ordnung fördern.”
Länder mit engeren Bindungen an China, wie Laos und Myanmar haben den Pakt öffentlich nicht kommentiert, ebenso Thailand, das wegen eines geplanten U-Boote Geschäfts mit China innenpolitisch kritisiert wurde.
Die Philippinen hat AUKUS begrüßt, was sicherlich auch mit den wieder aufgeflammten Grenzstreitigkeiten mit China im Südchinesischen Meer um das Thomas Shoal Atoll zu tun hat. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte den Philippinen 2016 die Kontrolle über die von China besetzten Inseln zugesprochen.
Erkennbar sind Ängste, dass AUKUS das jahrzehntelang beschworene Prinzip der Zentralität von ASEAN verringern könnte. Deswegen wird der südostasiatische Staatenbund nunmehr stärker von den drei AUKUS-Staaten hofiert, vor allem die USA senden hochrangige Vertreter, um Wogen zu glätten. Anfang Dezember sind die ASEAN-Außenminister auch zu einem G7-Gipfel nach Großbritannien eingeladen.
Indo-Pazifik Strategien: EU und AUKUS
Die AUKUS-Partnerstaaten werden wohl nicht darum herumkommen, auf europäische Staaten und die EU wieder stärker zuzugehen. Frankreich, Deutschland, die Niederlande und die EU hatten alle ihre eigenen Indo-Pazifik Leitlinien und Strategien entwickelt, die auf aktuelle und künftige Kooperationsbereiche in Wirtschaft, Politik und Entwicklung hinweisen und diese erweitern wollen.
Sie beziehen China ausdrücklich mit ein, da einige aktuelle Probleme nur gemeinsam mit China gelöst werden können. Der französische Außenminister hat bei seinem kürzlichen Besuch in Jakarta unterstrichen, dass der Indo-Pazifik eine Priorität der französischen EU-Präsidentschaft im nächsten Jahr sein werde.
Man wird versuchen, die gemeinsamen Schnittstellen der Indo-Pazifik Politik der EU, ihrer Mitgliedsstaaten und der AUKUS Partner hervorzuheben. Erste Ansätze dazu gab es bei den kürzlichen Treffen im Rahmen des US-EU China Dialogs.
(Zuerst veröffentlich am 28. Oktober 2021 in ThinkChina, einem online-Blog der singapurischen Tageszeitung „联合早报 – Lianhe Zaobao“.)
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