Myanmars Generäle wollen Suu Kyi für immer wegsperren – Ein Kommentar von Kerstin Duell

The Irrawaddy. 29. Oktober 2021. Screenshot.The Irrawaddy. 29. Oktober 2021. Screenshot.

Aung San Suu Kyis Gefängnisstrafe wird weit über ihre Lebenszeit hinausgehen, das, wenn alle Anklagepunkte abgehandelt sind, die ihr von der Junta jetzt angehängt werden. Die Putschgeneräle sind fest entschlossen, sie ein für allemal aus Myanmars Öffentlichkeit zu verbannen.

Früher verbrachte die Friedensnobelpreisträgerin fast 15 Jahre unter Hausarrest am Inya See in Yangon. Nun steht ihr weiterhin das Wegschließen an einem geheimen Aufenthaltsort in Naypyidaw, dem Sitz der Junta bevor. Gestern wurde ihre Gefängnisstrafe von Putschführer Min Aung Hlaing großzügig in Hausarrest umgewandelt. Immerhin schützt sie das vor den schlimmen Zuständen in pandemie-betroffenen Gefängnissen, die zusätzlich zu anderen Insassen mit mehr als 10,000 politischen Häftlingen überfüllt sind.

Während ihres früheren Hausarrests hätte Aung San Suu Kyi ausreisen und in ihr Heim nach Oxford zurückkehren können. Die Junta versuchte 1999 die Oppositionsführerin außer Landes zu drängen, indem sie ihrem an Krebs sterbenden Ehemann die Einreise nach Myanmar verweigerte.

„Myanmars Militär, diese morbide Institution, der längst der Verwesungsgeruch ihres eigenen Zerfalls anhaftet.“

Kerstin Duell

Um eine Verbannung aus Myanmar zu vermeiden, entschloss sich die damalige Oppositionsführerin zum Bleiben und sah ihren Mann nie wieder. Heute aber hat die weggeputschte, de-facto Regierungschefin keine Wahl mehr. Sie muss in Myanmar bleiben, aber weggesperrt. Das als Preis dafür, dass sie jede freie Wahl gegen die Generäle gewonnen hat und auch in Zukunft gewinnen wird.

Die gespielte Empörung der Junta über den ASEAN-Sondergesandten, der Aung San Suu Kyi und ihre inhaftierten Kollegen sehen wollte, dokumentierte wieder einmal, dass sich die Generäle Lichtjahre von den Normen internationaler Politik entfernt haben. Auch wissen sie nicht im Entferntesten, was die Bürger in ihrem Land denken und wünschen.

Screenshot Irrawaddy.

Mit dem Sturz der gewählten Regierung am 1. Februar 2021 hat sich das Militär vollkommen verkalkuliert. Angefangen vom Putsch, dann folgte rohe, sinnlose, empörende Gewalt gegen den kleinsten Protest und zivilen Widerstand großer Teile der Beamtenschaft. Jetzt die kaltschnäuzige Miss-, gar Verächtlichmachung von UN-Gesandten, bis hin zu dem Schauprozess gegen die gewählte Regierungschefin.

Aber Strategien aus dem Kalten Krieg funktionieren gegenüber Generation Z und den inzwischen gut ausgebildeten Aktivisten aus dem breitgefächerten, zivilgesellschaftlichen und politischen Spektrum nicht mehr.

Mit dem Urteil gießt die Junta Öl in die Flammen der Wut einer Bevölkerung, die auf diese Provokation mit noch entschlossenerem Widerstand und Gewalt reagieren wird.

Alle Burmesen, angefangen von glühenden Anhängern, bis hin selbst zu hasserfüllten Kritikern der Nobelpreisträgerin, sind sich jetzt darin einig, dass die aufgeblähte Barrage dutzender, an Haaren herbeigezogener und frei erfundener Anklagepunkte gegen die Landesmutter nur ein sinnloses, dilettantisches politisches Manöver der Generäle darstellt, das letztlich zum Scheitern verurteilt ist.

All das schlägt gegen die Putschisten selbst zurück.

„Aung San Suu Kyi ist, trotz vieler strategischer Fehler, die Mutter eines modernen, demokratischen, multi-ethnischen Myanmars.“

Kerstin Duell

Denn die unnachgiebige Willkür der Junta, die brutale Vernichtung aller Gegner lässt kaum noch Raum für Kompromisse und stille Diplomatie, die Akteure wie ASEAN und andere Staaten jahrzehntelang gegenüber den Militärs versucht haben.

Das sollte der internationalen Gemeinschaft eine Lehre sein.

Es braucht mehr Maßnahmen wie der jüngste Ausschluss der Junta von Gipfeltreffen des ASEAN und ASEM im Oktober und November, oder das Belassen des demokratischen UN-Botschafters in New York.

Jetzt müssen die Putschgeneräle für ihren Blutrausch gegen die eigene Bevölkerung und die Verurteilung der Ikone Suu Kyi sowie ihrer gewählten Regierung vor internale Gerichte gestellt werden.

Widerstand der Zivilbevölkerung gegen den Blutrausch der Militärs.

Die gut dokumentierten Grausamkeiten gegenüber unbewaffneten Zivilisten werden den Fällen vor beiden Gerichtshöfen in Den Haag zusätzliches Beweismaterial und Gewicht verleihen. Auch müssen die Aktivisten im Untergrund, die demokratische Gegenregierung und ihre Unterstützer im Ausland daraufhin wirken, dass mehr Information zu den Fußsoldaten der Junta durchsickern. Sie sollen ermutigt werden, ihre Angst zu überwinden und zum demokratischen Widerstand überzulaufen.

Kerstin Duell. Foto. Duell

Myanmars Militär, diese morbide Institution, der längst der Verwesungsgeruch ihres eigenen Zerfalls anhaftet, hat ihren Daseinszweck überlebt.

Aung San Suu Kyi ist, trotz vieler strategischer Fehler, die Mutter eines modernen, demokratischen, multi-ethnischen Myanmars. Ihre Verhaftung, die sinnlose Aburteilung in einem Scheinprozess gestern, all das ist Katalysator für eine landesweite, breit aufgestellte, pan-ethnische Solidarität, die über die vorherige Politik der NLD weit hinaus geht.

Letztlich werden die Generäle trotz aller planlosen Gewalt und Brutalität das selbst nicht überleben.

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Über den Autor

Kerstin Duell
Dr. Kerstin Duell ist eine deutsche Politologin, die seit zwei Jahrzehnten in Südostasien und Indien lebt. Ihr Forschungsschwerpunkt ist Entwicklungspolitik, mit dem Fokus auf menschliche Sicherheit im Brennpunkt autoritärer Systeme, Menschenrechte, Migration, Frauenfragen und transnational organisiertem Verbrechen. Sie promovierte in Singapur zur burmesischen Demokratiebewegung im Exil und schrieb ihre Masterarbeit in London über Geopolitik und die Außenbeziehungen der burmesischen Militärregierung unter Sanktionen. Zudem arbeitet Duell als Fotografin, mit Ausstellungen in Südostasien, und war 2006-2014 Markenbotschafterin für den japanischen Kameraproduzenten Olympus in Singapur.

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